• 14. September 2021

„SAP S/4HANA ist nicht die Problemlösung für ungelöste Themen“ – ein Interview mit Reimund H. Kuche (2/2)

„SAP S/4HANA ist nicht die Problemlösung für ungelöste Themen“ – ein Interview mit Reimund H. Kuche (2/2)

„SAP S/4HANA ist nicht die Problemlösung für ungelöste Themen“ – ein Interview mit Reimund H. Kuche (2/2) 1024 577 C4B

„Der Wechsel zu SAP S/4HANA ist nicht nur mal eben der Wechsel von einer Software zu einer moderneren Software. Damit ist oftmals eine Transformation – ein enormer kultureller und organisatorischer Wandel – verbunden“, sagt Reimund H. Kuche, Management Consultant Digital Finance bei Arvato Systems GmbH. Im zweiten Teil des Interviews erklärt er, worin die Herausforderungen bei Neueinführung oder Umstellung bestehen. Lesen Sie Teil 1 hier nach.

 

Herr Kuche, die mögliche Vernetzung, die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten in S/4HANA – setzt sie dann voraus, dass sich diese auch in der SAP-Welt bewegen?

Nein, genau das setzt es eben nicht voraus. Lieferanten benötigen kein SAP-System, sie können irgendwelche andere Systeme haben. Über weiterentwickelte Standards ist eine moderne S/4HANA Systemarchitektur mehr als nur ein in sich geschlossenes IT-Ökosystem, so wie es SAP häufig in der Vergangenheit war. Über die Cloud und über die Schnittstellen bzw. APIs wird der komplett digitale Austausch und die Verbindung mit fremden Systemen bzw. fremder Software ermöglicht, ohne dass dazu eine hochindividuelle Schnittstelle aufgebaut werden muss. Das ist einer der Kerngedanken von „Intelligent Enterprise“, der IT-Zielsetzung von SAP für ihre Kunden.

 

Worin besteht die Herausforderung bei der Neueinführung oder Umstellung?

Es ist nicht nur mal eben der Wechsel von einer Software zu einer moderneren Software. Mit einer guten Einführung von S/4HANA ist für Unternehmen oftmals eine Transformation – ein enormer kultureller und organisatorischer Wandel – verbunden. Die Veränderung der Unternehmenskultur, der Wandel im sogenannten Mindset stellt meiner Einschätzung nach die größte Herausforderung dar. Die Einführung von S/4HANA bietet neben technischen Neuerungen auch die Chance, die eigenen Unternehmensprozesse zu hinterfragen, neu zu gestalten und deren Effizienz im neuen System weiter zu steigern. Doch dazu muss das Denken in Silos, dazu müssen Widerstände überwunden werden. Die Chance liegt darin, dass mittels konsequenter End-to-End-Betrachtung der Prozesse Schwachstellen aufgedeckt, analysiert und beseitigt werden können. Die Neugestaltung ermöglicht zudem eine grundlegende strategische und organisatorische Überarbeitung bestehender Konzepte, wie beispielsweise des Controlling-Konzepts, des Kontenplans oder des Stammdatenmanagements. Nur setzt das eben voraus, dass Abteilungen oder einzelne auch bereit sind, sich von ihren alten Konzepten, manchmal auch von ihren Fürstentümern, zu verabschieden.

 

Für was bringt die Umstellung auf SAP S/4HANA keine Lösung?

S/4HANA ist nicht die Problemlösung für ungelöste Themen, wie beispielsweise bei der Strategie, in Sachen Führung, Organisation oder Digitalisierung. Auch nicht, wenn sich z.B. Workarounds, Improvisationen, zweckentfremdete Nutzung und unsaubere Stammdaten eingefleischt beziehungsweise angesammelt haben.

 

 

Worauf kommt es bei der Umstellung an und welche großen Hindernisse sehen Sie?

Die Software löst keine Probleme, die sich in 20 Jahren aufgestaut haben. Wichtig ist es, von Anfang an im Blick zu haben, dass es nicht um ein reines IT-Projekt, sondern vor allem auch um ein Transformationsprojekt geht, welches das gesamte Unternehmen betrifft. Dazu gehören grundsätzliche Fragen: Welche Strategie verfolgt mein Unternehmen insgesamt? Welche Digitalisierungsstrategie, welche Finance-Strategie verfolgt mein Unternehmen? Alle Beteiligten müssen frühzeitig mit einbezogen werden und Prozesse ganzheitlich betrachtet werden, denn es geht um das große Ganze. Beispielsweise muss man bei Stamm- oder Strukturdaten vom Ende her auf den Anfang schauen – also was muss ganz vorne, was muss an Strukturdaten festgelegt werden, damit am Ende die Empfänger die Informationen bekommen, die sie benötigen. Das geht am besten, wenn man das strategisch und mit End-To-End Prozessverantwortlichkeiten macht. Man nimmt also eventuell auch einigen Bereichen etwas weg, verändert ggf. Ablauf- und auch Aufbauorganisation. Die Widerstände werden oft extrem unterschätzt. Alle Beteiligten frühzeitig einzubinden, schafft hohe und dauerhafte Akzeptanz.

 

Fotos: Reimund Kuche, Pexels und Getty Images über Canva

 

Über Reimund H. Kuche

Reimund H. Kuche, Management Consultant Digital Finance bei Arvato Systems GmbH, ist Spezialist auf dem Gebiet SAP S/4 HANA.

Reimund H. Kuche auf LinkedIn und Xing.