• 2. November 2020

„Es lohnt sich, die Pricing-Prozesse unter die Lupe zu nehmen“ – ein Interview mit Gregor Buchwald

„Es lohnt sich, die Pricing-Prozesse unter die Lupe zu nehmen“ – ein Interview mit Gregor Buchwald

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Die Corona-Pandemie hält die Weltwirtschaft in Atem. Eine der ersten Maßnahmen des Managements in der Krise ist es üblicherweise, den Rotstift herauszuholen und alle Kostenblöcke auf den Prüfstand zu stellen. Pricing-Experte Gregor Buchwald von der Unternehmensberatung Roll & Pastuch empfiehlt jedoch, die Pricing-Prozesse genauer zu betrachten.

 

Herr Buchwald, um GOBD-konform zu arbeiten, müssen Unternehmen eine Verfahrensdokumentation aufsetzen. Welche Rolle spielen Pricing-Prozesse beziehungsweise deren Dokumentation bisher in diesem Zusammenhang in der Unternehmenspraxis?

Gregor Buchwald: Für eine GOBD-konforme Organisation ist die Dokumentation von Pricing-Prozessen zunächst einmal nicht relevant, aber aus einer anderen Perspektive lohnt es sich, die Pricing-Prozesse unter die Lupe zu nehmen. Gerade hält die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft in Atem. Unternehmen stehen in der Krise vor bis dato noch nicht dagewesene Herausforderungen: Bestehende Projekte werden gestoppt, sicher geglaubte Aufträge brechen weg, Hygienevorschriften erschweren die Kundenkommunikation und den reibungslosen Ablauf in der Vertriebsorganisation. Eine der ersten Maßnahmen des Managements in der Krise ist es üblicherweise, den Rotstift herauszuholen und alle Kostenblöcke auf den Prüfstand zu stellen. Der Ertrag eines Unternehmers hängt aber nicht allein von den Kosten ab. Umso erstaunlicher ist es, dass Preismaßnahmen selten auf den ersten Plätzen des Maßnahmenkatalogs der Führungsetage rangieren. Keine andere Maßnahme wirkt direkter und schneller auf den Ertrag.

Warum lohnt sich der Blick auf die Pricing-Prozesse denn?

Gregor Buchwald: Der Preis ist der Gewinnhebel Nummer 1, Preismaßnahmen schlagen 1:1 auf den Gewinn durch. Ein kleines Rechenbeispiel veranschaulicht am besten die enorme Gewinnwirkung des Preises: Gelingt es einem Unternehmen – mit einer Umsatzrendite von fünf Prozent – eine Preissteigerung von zwei Prozentpunkten ohne Mengenverluste im Markt durchzusetzen, so resultiert dies in einer Gewinnsteigerung von 40 Prozent. Neben dem höheren Gewinnhebel besitzen Preismaßnahmen gegenüber reinen Kostensenkungsstrategien zwei weitere entscheidende Vorteile:  Den Investitions- und den Zeitvorteil. Bei Preismaßnahmen fallen keine Up-Front-Investitionen – wie beispielsweise durch die Anschaffung von neuen Maschinen – an. Gleichzeitig greifen Preismaßnahmen sofort nach der Implementierung.

Welche Maßnahmen sind am wirksamsten?

Gregor Buchwald: Die Renditensteigerung beruht nicht nur auf einer einzelnen Maßnahme, sondern es handelt sich vielmehr um eine Reihe unterschiedlicher Hebel entlang des Pricing-Prozesses. Zuerst kommt die Preisstrategie, sie stellt die Grundlage für das Preismanagement dar und sollte die Unternehmensstrategie sowie die Marktpositionierung des Unternehmens unterstützen. Im zweiten Schritt muss man die Preissetzung betrachten. Während viele Unternehmen eine reine kostenbasierte Preiskalkulation durchführen, sollte der Ausgangspunkt jeder marktorientierten Preissetzung die Zahlungsbereitschaft des Kunden sowie der Marktpreis sein. In Schritt drei beleuchtet man die interne und externe Preisdurchsetzung. Unternehmen sollten sowohl die interne Preisdisziplin sicherstellen, beispielsweise durch Anreizsysteme, als auch die externe Preisdurchsetzung durch den Vertrieb gewährleisten. Das gelingt zum Beispiel durch eine Wertargumentation.

Was kann das Controlling beitragen? Welche Rolle muss es bei den Pricing-Prozessen spielen?

Gregor Buchwald: Preiscontrolling und -organisation stehen am Ende des Pricing-Prozesses. Hier gilt es, Verantwortlichkeiten in der Organisation zu definieren und Preisspielräume festzulegen, zum Beispiel durch Rabattrichtlinien. Diese müssen dann regelmäßig anhand von Pricing-KPIs geprüft werden.

 

 

Welche Hebel zur Ertragssteigerung haben sich im Pricing am effektivsten erwiesen?

Gregor Buchwald: Das lässt sich so pauschal nicht sagen, denn die Hebel zur Ertragssteigerung durch eine Optimierung des Pricing-Prozesses sind von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen sehr verschieden. Die detaillierte Beschreibung und damit verbunden auch Optimierung der Pricing-Prozesse in größeren Unternehmen kann durchaus eine Mammut-Aufgabe sein. Deshalb empfehle ich zunächst eine klare Priorisierung – und zwar anhand der Dimensionen „Hebelwirkung“ und „Schnell zu erwartende Erfolge“. Mögliche Hebel zur nachhaltigen Verbesserung der Erträge sind beispielsweise systematische Preisdifferenzierung über unterschiedliche Branchen, Regionen und Kundengruppen, häufig unterstützt durch ein Preissetzungstool. Auch die Neuausrichtung des Vertriebsvergütungsmodells – weg von der reinen Umsatzorientierung und hin zu einer stärkeren und messbaren Ertragsorientierung – ist hilfreich. Neben vielen anderen Maßnahmen ist auch die Einführung von Mindestbestellmengen und einer Bearbeitungsgebühr für Kleinstaufträge zu nennen. Hier lassen sich Quick Wins realisieren. Auf Grund der Mannigfaltigkeit des Pricing-Prozesses sowie der Heterogenität der einzelnen Unternehmen und Branchen ließe sich die Liste der Ertragshebel noch beliebig fortführen. Es gibt aber nicht die Silberkugel für die Krise und nicht alle möglichen Maßnahmen sind für alle Unternehmen gleich geeignet.

 

Also lohnt sich die Beschäftigung mit Pricing-Prozessen?

Gregor Buchwald: Auf jeden Fall, keine andere Maßnahme führt auf vergleichsweise schnellem und einfachem Weg zu derart hoher Ergebniswirkung wie die Optimierung der Pricing-Prozesskette. Im Schnitt lässt sich durch entsprechende Pricing-Maßnahmen eine Steigerung der Umsatzrendite von ein bis drei Prozentpunkte erreichen – in einigen Fällen auch mehr. Das Investment für ein derart gelagertes Pricing-Excellence-Projekt amortisiert sich in der Regel bereits wenige Wochen nach der Implementierung der ausgearbeiteten Maßnahmen.

 

Gregor Buchwald ist Geschäftsführer von Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants. Zu den Kunden des Pricing-Experten gehören multi-nationale Unternehmen genauso wie mittelständische Kunden aus dem B2B-Bereich. Darüber hinaus ist Buchwald Autor von vielen Publikationen zu den Themen Strategie, Vertrieb und Pricing sowie Sprecher auf zahlreichen Veranstaltungen.
Gregor Buchwald auf Xing und LinkedIn.

Ein Beitrag, der auf die Wirkung von Rabatt- und Konditionen-Systemen statt Cost-Cutting eingeht, findet sich hier.