Teil 2 unseres Interviews mit Andreas Schöder, HSP
Warum „One Size fits it all“ bei der Personalgewinnung und Bindung von Fachkräften nicht funktioniert, wie Unternehmen die Employer Brand stärken können – und was eigentlich der „Gold-Standard“ ist, erklärt Andreas Schröder im zweiten Teil unseres Interviews. Lesen Sie hier noch einmal nach, warum Unternehmen gut daran tun, die Bindung und Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden in den Mittelpunkt zu stellen.
Neben den schon beschriebenen Maßnahmen – was hat sich aus Ihrer Sicht noch bewährt?
Das Fundament muss stimmen. Gehalt, ein vernünftiges Arbeitsumfeld, die Möglichkeit zu Remote-Work, freie Getränke und – da haben wir ihn – den Obstkorb. Das alles sollte heute selbstverständlich sein. Man kann Massagen am Arbeitsplatz anbieten und gemeinsame Sporteinheiten, bei uns finden diese Übungen beispielsweise virtuell statt. Hinzu kommen Maßnahmen zur Nettolohnoptimierung wie Fahrtkostenzuschuss, Zuschüsse zur Kinderbetreuung etc. Wichtig ist uns eine individuelle Behandlung der Mitarbeitenden, denn sie haben unterschiedliche Vorstellungen und Ziele. Die eine bevorzugt eine leistungsorientierte Vergütung und einem hohen variablen Anteil, der andere setzt mehr auf Sicherheit und möchte lieber ein höheres Fixgehalt. „One Size fits it all“ funktioniert aus meiner Sicht nicht.
Als besonderes „Bonbon“ haben wir jetzt eine sogenannte „Workation“-Möglichkeit auf Mallorca aufgebaut. Das ist eine Location mit tollem Blick aufs Meer und top-ausgerüsteten Arbeitsplätzen, so dass die Mitarbeitenden aus unseren Kanzleien die Möglichkeit haben, remote zu arbeiten und gleichzeitig die Gelegenheit nutzen, ihren Aufenthalt als Urlaub zu genießen.
Sie sprachen auch gemeinsame Aktivitäten und Maßnahmen an. Wie wichtig sind diese?
Aus meiner Sicht sehr wichtig, denn gemeinsame Events und Veranstaltungen fördern den Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen. Bei den Mitarbeitertagen oder in unseren Azubi-Camps haben Menschen aus der gesamten HSP-GRUPPE die Möglichkeit, gemeinsam zu lernen, Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sich auszutauschen. Das nutzt sowohl der persönlichen Entfaltung der Mitarbeiter als auch ihrer Bindung an die Kanzlei als Arbeitgeber. Zudem haben wir Lernplattformen implementiert, haben eine eigene Akademie, in der wir viele Videos für Wissenstransfer und Weiterbildung zur Verfügung stellen.
Was entgegnen Sie auf die Aussage, dass der gefühlte Mangel häufig weniger mit einem echten Mangel an geeigneten Fachkräften zu tun hat als mit einem Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern?
Tatsächlich ist es so, dass in vielen Branchen etliche Unternehmen Probleme haben, neue Mitarbeitende zu finden. Es dauert durchaus länger, offene Stellen zu besetzen und die Qualität der Bewerbungen lässt dabei ebenfalls oft zu wünschen übrig. Das liegt zum einen an der sogenannten Arbeitgebermarke, dem Employer Branding. Ist das Unternehmen nicht attraktiv für Bewerber, sinken deren Zahlen. Ohne einen guten Ruf am Markt ist es deutlich schwieriger, die gewünschten Fachkräfte zu finden und die vakanten Stellen zu besetzen. Und die Marke muss natürlich auf dem Markt wahrgenommen werden.
Wie stärken Sie die Employer Brand?
Das, was ich eingangs gesagt habe, bildet das Fundament: Was macht uns als Arbeitgeber aus? Wer sind wir? Was wollen wir? Wie schaffen wir das? Dieses Fundament muss nach außen sichtbar sein. Wir haben für die Kanzleien der Gruppe eine gemeinsame Karriereseite aufgebaut. Auf den Homepages der Kanzleien ist eine Schnellbewerbung möglich, das zieht vor allem junge Bewerberinnen und Bewerber an. Man sollte seine Kununu-Bewertungen monitoren und die Mitarbeitenden einbeziehen. In Workshops, Mitarbeitertagen, Azubicamps, etc. weisen wir immer wieder darauf hin: Wenn Du im Job etwas toll findest schreib es auf Kununu. Wenn Du Verbesserungspotenziale siehst, sag es deinem Chef. Der Erfolg lässt sich sehen. Wir gehören zu den bestbewerteten Kanzleien in Deutschland.
Zudem sind wir gerade dabei, Markenbotschafter auf Mitarbeiterebene zu etablieren. Die Aussagen unserer Leistungsträger sind viel glaubhafter, als wenn der Chef positiv über das Unternehmen spricht. Ergänzend bewerben wir uns bei Arbeitgeberpreisen wie „Great Place to work“ oder dem Ludwig Erhard-Preis, denn auch bei diesen Arbeitgeberwettbewerben bekommen wir von den Mitarbeitenden direkte autonome Zustimmung zu unseren formulierten Thesen – oder eben auch nicht. Nur bei einer hohen Zustimmung bekommen wir als Unternehmen das Zertifikat. Dabei würde ich sagen, dass die Goldmedaille die Bindung von Mitarbeitenden ist, die Silbermedaille das Recruiting
Und wofür gibt es die Bronze-Medaille?
Die Bronzemedaille gibt es für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI), um Arbeitsabläufe zu automatisieren. Meiner Meinung nach wird die KI in kurzer Zeit auf den zweiten Platz rücken und die Silbermedaille gewinnen. In der HSP GRUPPE haben wir uns beispielsweise gerade für den Einsatz von Chat GPT Enterprise entschieden. Einsatzbeispiele sind:
- Vorbereitung von Antworten auf eingehende E-Mails
- Belegerkennung
- Entscheidungsfindung (Kaufen oder leasen, Investitionsrechnung, …)
- Erstellung von Mandatsübersichten / Diagrammen / Zusammenhängen
- Analyse von Mandantendaten auf Compliance
- Erstellung von Inhalten für Social-Media
- Fachartikel erstellen
- ChatBots für die Internetseiten
- Ideenfindung
… und natürlich die Erstellung von Recruiting-Posts.
Alle Maßnahmen zusammen lassen sich nicht „mal eben so“ aufbauen, es braucht Ausdauer. Fachkräfte zu finden und zu binden ist ein Marathon, kein Sprint.
Inhalt