• 24. Mai 2022

„One Finance“: Zentralisierung des Reportings – ein Interview mit Ben Hübner, Head of Cost Accounting & Management Reporting, Drägerwerk AG (1/2)

„One Finance“: Zentralisierung des Reportings – ein Interview mit Ben Hübner, Head of Cost Accounting & Management Reporting, Drägerwerk AG (1/2)

„One Finance“: Zentralisierung des Reportings – ein Interview mit Ben Hübner, Head of Cost Accounting & Management Reporting, Drägerwerk AG (1/2) 1024 535 C4B

Im Vorwege der Umstellung von SAP ERP 6.0 auf SAP S/4HANA wurden bei der Drägerwerk AG & Co. KGaA aus Lübeck die Bereiche Management Reporting und Cost Accounting zusammengeführt. Ben Hübner, Head of Cost Accounting & Management Reporting bei dem international führenden Unternehmen für Medizin- und Sicherheitstechnik, berichtet im Interview über die Vorteile des zentralen Reportings „One Finance“, notwendige Kompromisse und die größten Hürden bei der Umstellung.

Herr Hübner, was gab den Anstoß, das Reporting bei Dräger zu zentralisieren?

Ben Hübner: Mit der Digitalisierung und datenbasierter Unternehmenssteuerung stiegen die Anforderungen an das Reporting enorm. Bereits vor etwa zehn Jahren haben wir daher bei Dräger damit begonnen, Reporting-Tätigkeiten im Finanzbereich zu zentralisieren. Controller sollten sich auf das Business Partnering konzentrieren, ein separates Team stellt die dafür notwendigen Reports und Tools zur Verfügung. In anderen Unternehmen wurde das Reporting „Factory“ genannt. Als solche haben wir uns nie verstanden, sondern eher als Partner und Dienstleister für Reporting- und Planungs-Fragestellungen jeglicher Art. Als nun vor einigen Jahren die Umstellung unseres ERP-Monolithen vom SAP ERP 6.0 auf SAP S/4HANA langsam am Horizont erschien, stellten wir uns die Frage: Wie bewältigen wir das eigentlich im Rechnungswesen, um das Reporting noch besser weiterentwickeln zu können und die Chancen der Umstellung bestmöglich zu nutzen – und welche Organisation brauchen wir dafür?

 
Welche Herausforderungen hatten Sie und Ihr Team zu bewältigen? Und was hat sich rückblickend bewährt?

Für das Team bestand die Herausforderung immer darin, die Nähe zu den Kunden zu behalten und am Puls der Zeit zu bleiben, um die Anforderungen bestmöglich umsetzen zu können. Die Kundenorientierung verliert man in einem Spezialisten-Team schon fast zwangsläufig, diese Kundenorientierung und das Netzwerk zu berücksichtigen, erfordert kontinuierliche Arbeit. Das funktionierte – je nach Grad der Einbindung in die Controlling-Prozesse – mal besser, mal schlechter. In Summe hat sich die Spezialisierung aber unbedingt bewährt, weil Kompetenz in BI-Technik in der Regel nicht zum Profil eines Controllers gehört und dieser so erheblich entlastet werden kann. Als sinnvoll hat sich ein regelmäßiger und nahtloser Austausch mit dem Controlling-Führungskreis auf der Management-Ebene und die aktive Pflege von Netzwerken zwischen den Teams erwiesen.

Worin liegen aus Ihrer Sicht die Vorteile des zentralisierten Reportings?

Die Aufgabenstellung des sogenannten Management Reporting-Teams hat sich über die Jahre weiterentwickelt: Vom Dienstleister für das Controlling hin zum Enabler und Ansprechpartner für Reporting für die ganze Dräger-Organisation, auch über den Finanzbereich hinaus. Folgerichtig betreut das Team inzwischen nicht mehr nur das zentrale Konzernreporting, sondern eigentlich alle finanziellen Kennzahlen, die bei Dräger nachgefragt und erhoben werden. Eine der Kernkompetenzen des Controllings – nicht nur bei Dräger – war immer, Berichte bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Logisch, dass diese neue Entwicklung zu Friktionen führt. Diese empfinde ich persönlich aber eher als Katalysator für Veränderungen – und sehe sie nicht als langfristiges Problem. Daher unterstützen wir diese Entwicklung auch sehr aktiv, weil wir davon überzeugt sind, dass jeder zu jeder Zeit die Informationen haben muss, die er braucht – Stichwort Data Democracy, also die breite Verfügbarmachung von Daten und Informationen

 

Welche Hürden haben Sie in Richtung eines integrierten Rechnungswesensnehmen nehmen müssen?

Das CO-Modul wurde bei Dräger zu dieser Zeit in einem eigenen Bereich, dem Cost Accounting, betreut, das damals im Controlling aufgehangen war. Die ersten Schritte in Richtung eines integrierten Rechnungswesens im Sinne der Integration von FI und CO hat Dräger schon früh, in den 2000er Jahren gemacht. Mit dem Projekt „DRIVE“ (Dräger Integrated Vision of Excellence) wurde nicht nur ein neues Konsolidierungssystem, das SAP EC-CS, eingeführt, sondern auch eine Zwangs-Abstimmung und -überleitung zwischen FI und CO. Es gab buchungstechnisch zwar immer noch zwei Welten, diese passten aber immer gut zusammen oder waren zumindest gut überleitbar. Mit dem letzten großen Reporting-Projekt „Transparency“ – und der damit verbundenen grundlegenden Renovierung des Systems in 2014 – wurde der Schritt der Integration zumindest im Konzernreporting vollendet. Berichtet wird jetzt nur noch integriert in einem Konzernkonten- und Kostenstellenrahmen, befüllt gemeinsam aus FI und CO. Da SAP das eigentlich noch gar nicht konnte, hat es sehr viele eigenentwickelte Lösungen gebraucht, die bis heute Bestand haben. Mit S/4HANA werden wir ab 2023 erstmals die Möglichkeit für eine echte Integration der beiden Welten haben. Zumindest vom Ergebnis her betrachtet ist daher die Abstimmung zwischen FI und CO seit Jahren kein großes Thema mehr für Dräger, allerdings auch weil wir sehr viel in das Thema investiert haben.

 

Im zweiten Teil des Interviews berichtet Ben Hübner, wie echter Self-Service gelingt und welche Herausforderungen auf dem Weg zur Conversion auf S/4HANA zu nehmen ind.

Fotos: Canva, Ben Hübner

 

Zu Ben Hübner
Ben Hübner ist Head of Cost Accounting & Management Reporting bei der Dräger AG in Lübeck. Der Betriebswirt, der seit 2010 bei Dräger tätig ist, verantwortet seit 2013 den Bereich Management Reporting und ist 2019 in der jetzigen Position.

Ben Hübner auf LinkedIn und Xing.