Um in einer globalen Controlling Community erfolgreich zu sein, muss das unterschiedliche Leistungsniveau der Tochtergesellschaften ausgeglichen und angehoben werden. Dann ziehen Controller an einem Strang und Global Controlling wird zu einem Erfolgskonzept, meint Marco Fetsch, Leiter Controlling bei Freudenberg Sealing Technologies (FST). Das Unternehmen hat 2021 ein Shared Service Center (SSC) im Controlling eingerichtet. Dadurch können sich Mutter- und Tochtergesellschaften in zehn Ländern enger vernetzen und Ressourcen besser nutzen. Marco Fetsch hat diesen Prozess begleitet und berichtet über Erfolge und Erfahrungen.
Marco, wo liegt die größte Herausforderung für Mutter- und Tochtergesellschaften im Controlling – vor allem über große Entfernungen?
Shared Service Center kennt man in der Regel von IT-Dienstleistungen oder Call Centern. Ein bestimmter Katalog definiert den Handlungsspielraum und gibt vor, wie Fragen standardisiert zu beantworten sind. Das funktioniert im Bereich Controlling so nicht – vor allem, wenn es sich wie bei Freudenberg Sealing Technologies um Tochtergesellschaften in zehn verschiedenen Ländern in Europa und Nordamerika handelt.
Wir können maximal 60 bis 70 Prozent der Prozesse standardisieren, mehr geht nicht. Aber das ist ja das Schöne, dass wir in einer vielfältigen Welt leben und nicht alles nach einem Raster funktioniert! Mit dieser Buntheit und Heterogenität müssen wir individuell umgehen und trotz aller Unterschiede eine gemeinsame Basis schaffen. Ziel in der Zusammenarbeit mit Tochtergesellschaften muss es sein, dass im Controlling alle den gleichen Weg gehen.
Vor drei Jahren habt ihr mit dem Aufbau eines Shared Service Centers begonnen. Wie schafft man über eine Distanz von 12.000 km eine Controlling-Community?
Die Herausforderungen für einen Controller in einer Tochtergesellschaft in Mexiko können völlig anders sein als in den USA oder in Europa. Das muss man wissen und beim Aufbau eines SSC berücksichtigen. Zentrale Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Leistungsniveaus in den Tochtergesellschaften durch Best-Practice-Beispiele und Schulungen anzugleichen. Auch die Talentförderung ist enorm wichtig, um den Mitarbeitenden neue Karrierechancen zu eröffnen.
Bei allem spielt der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. Wir müssen die Leute emotional abholen und für die Zusammenarbeit begeistern. Das ist gar nicht so einfach, wenn man 20 oder 30 Jahre im Job ist. Aber wir versuchen, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen und das Niveau insgesamt anzuheben. Das ist ein Prozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist.
Worauf kommt es an, um als virtuelle Controlling-Einheit erfolgreich zu sein?
Die Controller unserer Tochtergesellschaften sitzen in verschiedenen Ländern in Europa und Nordamerika. Früher waren sie ihrem Werksleiter verpflichtet. Heute sind sie Teil einer globalen Controlling Community und haben einen Vorgesetzten. Das ist elementar, um zum Beispiel Betrug vorzubeugen. In den letzten drei Jahren haben wir gemeinsam eine Controlling-Struktur erarbeitet, die für uns alle verbindlich ist. 2024 haben wir uns zum ersten Mal persönlich getroffen und in einer Woche eine gemeinsame Teamvision erarbeitet. Das hat uns enorm vorangebracht und das WIR-Gefühl gestärkt.
Wir verstehen uns als interne Dienstleister, unsere Kunden sind die Leiter der verschiedenen Produktionswerke. Jeder Controller im Team verfolgt das gleiche Ziel und ist an gemeinsamen Lösungen interessiert. Vertrauen ist eines der zentralen Merkmale des Controllings.
Wie sieht dein Zwischenfazit aus?
Der Aufbau eines Shared Service Centers ist ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir haben schon viel erreicht. Zwei Vorteile möchte ich besonders hervorheben: Das Ausscheiden einzelner Mitarbeiter führt nicht zum Zusammenbruch des SSC, sondern wird vom Team standortübergreifend aufgefangen. Gleiches gilt zum Beispiel für Ausfälle durch Mutterschutz – auch hier können Controller aus den Nachbarländern aushelfen.
Die größte Herausforderung ist die Abstimmung mit den Werksleitern. Wir müssen sie perfekt bedienen und ihnen das Gefühl geben, keinen Einfluss zu verlieren und gleichzeitig einen guten Controlling-Service zu erhalten. Dazu gehören z. B. die Monats- und Jahresabschlüsse, Reports, Profitabilitätsanalysen sowie die Produktkalkulation.Eine zweite Herausforderung ist die richtige Priorisierung der Aufgaben. Wir müssen uns im Team gut abstimmen, damit die Kolleginnen und Kollegen nicht in Aufgaben ersticken. Als Führungskraft trägt man immer eine große Verantwortung für das Team, egal ob man in einer virtuellen Gemeinschaft, remote oder an einem Standort arbeitet.
Spannendes zum Thema SSC auf die Ohren? Das gibt es in unseren Podcast-Folgen #24 Shared Service Center-Neuausrichtung und #27 Innovative SSC: Erfolgsrezepte für Optimierung und Effizienz.
Fotos: Canva, Marco Fetsch
Über Marco Fetsch:
Marco Fetsch (33) ist Leiter Controlling bei Freudenberg Sealing Technologies (FST). FST ist eine eigenständige Geschäftsgruppe innerhalb der Freudenberg Gruppe – mit eigenen Tochtergesellschaften und 11 Produktionsstandorten in 10 Ländern in Europa und Nordamerika. Er hat an der Universität Hohenheim einen Master in Financial Management erworben. Studien- und berufsbedingte Auslandsaufenthalte führten ihn in die USA, nach China und Südafrika. Seit Juli 2024 lebt Fetsch in den USA. Von Atlanta im Bundesstaat Georgia leitet er einen Teil des dortigen Controlling Service Teams und tauscht sich direkt mit den Controllern der Werke in den USA und in Mexiko aus.
Marco Fetsch auf LinkedIn.