NFRD, CSRD, Taxonomie: Eine Menge Abkürzungen – die aber alle auf dasselbe abzielen. Unternehmen sind mit immer mehr gesetzlichen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung konfrontiert. Nichtfinanzielle Kennzahlen rücken dabei über alle Branchen hinweg stärker in den Fokus. Vielen Unternehmen ist jedoch noch unklar, welche Kompetenzen sie nun aufbauen müssen und wie sich unternehmensweit die Anforderungen verändern werden. Einige der zentralen Fragen haben wir Im Interview mit Dr. Tim Dreessen besprochen.
Herr Dr. Dreessen, die Europäische Kommission hat 2021 ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht. Was kommt jetzt auf Unternehmen zu? Und wer ist betroffen?
Die CSRD ist eine Überarbeitung der Non-Financial Reporting Directive, der NFRD, aus dem Jahr 2014. Die Revision der bestehenden Regelungen wurde im Rahmen des europäischen Green Deal und dem daraus abgeleiteten Sustainable Finance Action Plan vorgenommen und soll vor allem zur Verbesserung der Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen beitragen. Denn über nichtfinanzielle Informationen mussten bisher nur große kapitalmarkorientierte Unternehmen berichten. Nun sind von 2023 an alle großen Unternehmen ab 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dazu verpflichtet. Damit wächst der Kreis der Berichtspflichtigen deutlich: Nach Schätzungen werden künftig europaweit rund 50.000 statt bisher rund 11.000 Unternehmen umfangreicher über Ökologie, Soziales und Unternehmensführung Rechenschaft ablegen müssen.
Betrifft die Berichtspflicht alle Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden?
Gefordert wird die Berichtspflicht für alle Unternehmen, die am Bilanzstichtag mindesten zwei von drei Größenkriterien erfüllen. Neben der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt noch ein weiteres Kriterium hinzu. Für große Unternehmen liegt sie weiterhin bei einer Bilanzsumme von über 20 Millionen Euro oder einem Umsatz von über 40 Millionen Euro. Dazu kommen alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen, mit der Ausnahme von Kleinstunternehmen.
Über die Anzahl der betroffenen Unternehmen hinaus – was ändert sich durch die CSRD noch?
In der Vergangenheit war man vergleichsweise frei, was die Nachhaltigkeitsberichterstattung anbelangte. In der NFRD waren Leitlinien vorgegeben, nach der es bislang den Unternehmen obliegt, ob sie eine nichtfinanzielle Erklärung im Lagebericht ihres Geschäftsberichtes abgeben oder einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen. Diese Wahlmöglichkeit soll wegfallen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung regulär in den Geschäftsbericht integriert werden. Egal, ob es um ökologische oder soziale Aspekte oder um Methoden der Unternehmensführung geht: Die Konsequenzen des unternehmerischen Handelns für Umwelt und Gesellschaft müssen dann viel deutlicher als bisher berechnet und beschrieben werden.
Welche Herausforderungen kommen damit auf Unternehmen zu?
Mit der Aufwertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung gewinnen nichtfinanzielle Aussagen und Kennzahlen stark an Bedeutung und nähern sich den Finanzkennzahlen an. Die dabei kommunizierten Daten müssen ähnlichen Qualitätsstandards standhalten wie die Kennzahlen der Finanzberichterstattung. Zwar bedeutet dies nicht, dass die Unternehmen in dem gleichen KPI-Kanon berichten müssen, aber die Methodik, wie man vorzugehen hat, wird standardisiert. Die ersten Standards will die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) bis Mitte 2022 ausgearbeitet haben, verabschiedet werden sollen sie spätestens am 31. Oktober 2022.
Mit Konsequenzen für die Nichteinhaltung?
Ja, deutlich, denn die Haftung für Aussagen wird verschärft. Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen künftig die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane kollektiv verantwortlich sein. Zudem muss die Berichterstattung von einem Abschlussprüfer hinsichtlich der verwendeten Berichtsstandards, des Prozesses der Informationsgewinnung und der Ermittlung der Indikatoren nach der Taxonomie-Verordnung kontrolliert werden (limited assurance). Verstöße gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Informationen werden geahndet. Ich gehe davon aus, dass sich für Unternehmen der Aufwand deutlich erhöhen wird – sowohl der Prüfaufwand als auch der interne Aufwand, um die Daten valide zu halten.
Noch ist die endgültige Fassung der EU-Richtlinie ja nicht verabschiedet. Ab wann besteht Handlungsbedarf?
Der Vorschlag muss zwar noch durch die Instanzen, aber der Weg ist bereits jetzt klar. Die neuen Pflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung greifen dann ab 1. Januar 2024 für große und für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Eine Erleichterung gibt es zunächst für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Für diese KMU tritt die Pflicht zur Veröffentlichung erst ab 1. Januar 2026 in Kraft. Dennoch: Es ist keine Zeit zu verlieren. Denn auch nicht von der Berichtspflicht betroffene KMU sollten sich zeitnah damit auseinandersetzen.
Warum auch nicht von der Berichtspflicht betroffene KMU sich zeitnah mit den Anforderungen auseinandersetzen sollten, was die Taxonomie und das Prinzip der doppelten Materialität bedeuten und wie die Unternehmen dieBerichtspflicht so implementieren können, dass sie auch in anderer Hinsicht einen Mehrwert haben, erläutert Dr. Tim Dreessen im zweiten Teil des Interviews.
Über Dr. Tim Dreessen
Dr. Tim Dreessen ist CSR-Experte mit Schwerpunkten in Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz. Seinen Erfahrungsschatz hat er in über 15 Jahren auf nachhaltigkeitsrelevanten Positionen bei Bosch und Voith gesammelt. Im Rahmen des Green Controllings hat er Reportingsysteme und Zielprogramme zur Effizienzsteigerung von Energie- und Ressourcenverbräuchen und zur Reduzierung von Treibhausgasen entwickelt und implementiert.
Dr. Tim Dreessen auf LinkedIn.
Der Kompetenzaufbau im Finanzbereich hat mehrere Vorteile. Zum einen sind die Schnittstellen zu den WP bereits geschaffen und die Rechnungslegung im Sinne der Taxonomie, welche die CSRD ebenfalls verpflichtend machen soll, kann je nach Betroffenheit tief in die bisherige Struktur eingreifen bzw. von ihrer gewohnten Form abweichen. Eine enge Abstimmung mit dem WP ist daher zu empfehlen, damit man die Vorstellungen von Auslegung der oft noch schwammigen Vorgaben abstimmen kann.
Zum anderen kann das Controlling aus den erhobenen Daten auch eine Strategie ableiten, wie die Verbesserung der als wesentlich identifizierten nicht-finanziellen Kennzahlen zum Mehrwert für das Unternehmen beitragen. Auf diese Weise wird dann auch wieder der Anschluss an die finanzielle Performance gebildet. Mit Blick auf die Finanzierung des Unternehmens unter der Sustainable Finance Transformation der EU sind so alle Informationen in einer Hand.
Das Finanzwesen bildet in der Regel auch eine Klammer über alle anderen Unternehmensfunktionen und kann die wesentlichen Nachhaltigkeitaspekte so mit den operativ verantwortlichen Stellen koordinieren.
Funktionen außerhalb haben möglicherweise den Vorteil, zu einzelnen Aspekten der Nachhaltigkeit in der Vergangenheit Expertise aufgebaut zu haben. Das Tagesgeschäft z.B. des Umweltexperten wird jedoch auch wenig Anschluss an die sozialen Aspekte in der Lieferkette haben. Als Klammer und Treiber über alle CSR-Themen bieten sich die Fachfunktionen so nur bedingt an. Das viele Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit dennoch so entwickelt haben, ist sicherlich auch der historischen schleichenden Entwicklung des Themas geschuldet.
Eine separate CSR-Funktion sprengt für kleinere betroffenen Unternehmen sicherlich den wirtschaftlichen Rahmen. Um sich erfolgreich zu behaupten, wird eine separate CSR-Funktion schließlich seinen wirtschaftlichen Mehrwert ggu. der Geschäftsführung darlegen müssen. Spätestens da stoßen wir dann wieder auf den Finanzbereich.