Warum Unternehmen gut daran tun, die Bindung und Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden in den Mittelpunkt zu stellen, warum Kommunikation so wichtig ist und welche Rolle Obstkorb, E-Bike & Co zukommt, erklärt Andreas Schröder im ersten Teil unseres Interviews zum Thema Personalgewinnung und -bindung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der HSP GRUPPE, einem bundesweiten Kooperationsverbund für Steuerberatungskanzleien.
Herr Schröder, kaum ein Thema wird aktuell mehr diskutiert als der sogenannte Fachkräftemangel. Das Beratungsunternehmen PwC beziffert jüngst die daraus resultierenden Umsatzeinbußen für die deutsche Wirtschaft auf knapp 65 Milliarden Euro pro Jahr, besonders gravierend sei der Engpass bei KMU. Gilt das auch für Steuerberatungskanzleien?
Oh ja, auch in unserer Branche brennt ein starker Kampf um Personal. Und die jungen Arbeitskräfte werden zunehmend anspruchsvoller bei der Wahl ihrer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Gleichzeitig werden die Aufgaben immer komplexer. Und auch die Skills der Zukunft werden sich ändern, beispielsweise IT-Kenntnisse, Sozialkompetenz, Methodenkompetenz. Ohne zufriedenes und qualifiziertes Personal nutzt aber der Mandatsgewinn nichts. Auch KMU sollten ein strategisches Konzept entwickeln, wie sie ihre guten Beschäftigten binden und neue Talente für sich begeistern können.
Wie gehen Sie im Verbund der HSP-Gruppe mit dieser Situation um?
Die HSP-GRUPPE arbeitet hart daran, die Kanzleien nicht nur gegenüber Mandanten zu stärken, sondern auch als attraktive Arbeitgebermarke sichtbar zu machen. Mitarbeitergewinnung, also Recruiting-Maßnahmen, sowie ein gutes Employer Branding, nehmen großen Raum ein. Bevor man sich auf die Suche nach neuen Fachkräften macht, muss man sich aber zunächst darum kümmern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen arbeiten, auch langfristig bei sich zu behalten. Wenn es schon so schwer ist, Mitarbeitende finden, steht die Bindung und Weiterentwicklung unserer Leistungsträger an Platz Eins.
Was hat sich aus Ihrer Erfahrung bewährt? Gibt es besonders erfolgreiche Maßnahmen zur Bindung der Mitarbeitenden?
Bevor wir über Maßnahmen sprechen, muss es erst einmal ein strategisches Fundament geben, auf dem ein professionelles Personalmanagement aufbauen kann. Wer sind wir? Was wollen wir? Wie schaffen wir das? Das sollte man zunächst für sich als Kanzlei – oder Unternehmen definieren. Alle Mitarbeitenden sollten die Werte, die Vision und die strategischen Ziele der Kanzlei – oder des Unternehmens – kennen und verstehen. Idealerweise sogar selbst zur Weiterentwicklung etwas beitragen. Und dann gibt es eine ganze Reihe an Maßnahmen, die sicher im Einzelnen nicht neu oder wahnsinnig innovativ sind. Die aber in ihrem Zusammenspiel sowohl der persönlichen Entfaltung der Mitarbeitenden als auch ihrer Bindung an die Kanzlei als Arbeitgeber dienen.
Können Sie uns einmal Beispiele nennen? Sind es der berühmte Obstkorb und die Massage?
Obstkorb, Getränke, Massage oder ein Sportangebot können Teil davon sein – und auch ein Teil, den die Mitarbeitenden sehr schätzen. Das kann man abfragen. Ich möchte gerne noch einmal eine Ebene davor anfangen. Aus meiner Sicht ist Kommunikation eines der entscheidenden Themen. Mitarbeitenden möchten ernst genommen und gesehen werden. Im hektischen Arbeitsalltag geht das oft unter, deshalb haben wir zusätzlich zu den zwei Mal pro Jahr stattfindenden 360 Grad-Feedbackgesprächen auch eine wöchentliche Team-Time sowie mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter monatliche 30-minütige Sprint-Gespräche eingeführt.
Ist das nicht sehr zeitintensiv?
Ja, das kostet Zeit – aber es bringt auch wahnsinnig viel. Sowohl in der Team-Time als auch in den Sprintgesprächen werden viele fachliche – aber nicht nur fachliche – Themen abgesprochen. Die Mitarbeitenden fühlen sich abgeholt, mitgenommen und unterstützt. Durch den regelmäßigen, ritualisierten Austausch bekommen sie so auch viel unkomplizierter die Möglichkeit, schnelle Antworten auf ihre Fragestellungen oder Unterstützung. Auch Themen, die nicht reibungslos laufen, werden schneller aufgedeckt und können gelöst werden. Zudem ist meine Erfahrung, dass man im persönlichen Austausch viel besser Zwischentöne wahrnimmt. Ergänzend messen wir die Zufriedenheit unseres Teams alle 14 Tage mit dem anonymen HSP-Stimmungsbarometer – mit einer enormen Teilnehmendenquote: Über 80 Prozent der Mitarbeitenden machen mit.
Was passiert mit den Ergebnissen des Stimmungsbarometers?
Die Abfrage erfolgt anonym über einen Dienstleister, es können aber Fragen direkt beantwortet werden. Das erlaubt den Kanzleiinhabern, gleich zu reagieren. Das Instrument setzt, wie alle anderen, natürlich voraus, dass die einzelnen Kanzleien das Thema auch ernst nehmen und das Instrument entsprechend nutzen. Es gibt zwar eine Selbstverpflichtung, aber letztlich können wir nur einen Werkzeugkasten zur Verfügung stellen.
Klar ist uns auch, dass Mitarbeitende oft noch eine Hemmschwelle haben, offen Feedback zu geben. Auch in gemeinsamen Workshops erhielten wir meist positive Ergebnisse und Rückmeldungen. Deshalb haben wir entschieden, zusätzlich einen Mitarbeiterrat aufzubauen, das Gremium gibt ein konstruktives Feedback an die Geschäftsleitung.
Was sich aus Sicht von Andreas Schröder neben den schon beschriebenen Maßnahmen noch bewährt hat, wie Unternehmen die Employer Brand stärken können und worum es beim Gold-, Silber- und Bronzestandard geht – das mehr im zweiten Teil des Interviews.
Fotos: Andreas Schröder, Canva
Über Andreas Schröder
Andreas Schröder ist seit 2010 geschäftsführender Gesellschafter der HSP GRUPPE, einem bundesweiten Kooperationsverbund für Steuerberatungskanzleien.
Die HSP Gruppe arbeitet auf Basis einer einheitlichen Außendarstellung und eines vereinheitlichten Qualitätssicherungssystems auf Server-Systemen der DATEV in Nürnberg als rechtlich jeweils selbstständige Unternehmen zusammen. Gemeinsam stellen sie sich den Herausforderungen des Marktes in fachlicher, qualitativer und werblicher Hinsicht. In der Gruppe unterstützen wir auch die uns angeschlossenen Kanzleien im Personalmanagement.
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