• 26. Januar 2018

Planung von Wachstumsinitiativen – Risiken einschätzen

Planung von Wachstumsinitiativen – Risiken einschätzen

Planung von Wachstumsinitiativen – Risiken einschätzen 150 150 C4B

Thorsten Ohm

Gastbeitrag Thorsten Ohm

Bei der operativen Planung von Wachstumsinitiativen ist das Risiko von Fehleinschätzungen hoch. Hilfreich ist es, sich einen Überblick über mögliche Risiken zu verschaffen. Im zweiten Teil seines Gastbeitrags stellt Thorsten Ohm, Berater und Interimsmanager, Waypoint Ventures Pte. Ltd., mögliche Unsicherheiten vor, die in der Planung berücksichtigt werden müssen und wie ein Frühwarnsystem erstellt werden kann. Den ersten Teil des Gastbeitrags können Sie hier nachlesen.

In einem unsicheren Umfeld, ist es hilfreich sich über die Risikoart im Klaren zu werden. In Anlehnung an das Buch 20/20 Foresight von Hugh Courtney können Risiken grob in vier Klassen unterteilt werden:

  1. Eine vorhersehbare Zukunft ohne systematische Informationslücken und dem Vertrauen, dass einzelne Abweichungen sich im gauß’schen Mittel gegenseitig aufheben. Dies ist die perfekte Voraussetzung für den klassischen Planungsprozess mit einem Zielwert als Ergebnis einer gründlichen Analyse- und Abstimmungsarbeit.
  2. Alternative Szenarien mit diskreten Endszenarien in Abhängigkeit von differenzierenden Ereignissen, wenn z.B. eine Akquisition durchgeführt wird, eine entscheidende Regulierung erlassen oder ein Grundsatzurteil gefällt wird. Hier gibt es Analogien zum ersten Fall, aber mit jeweils unterschiedlichen Annahmen für jedes Szenario.
  3. Eine Bandbreite von Lösungen, wenn externe Faktoren sehr weit streuen oder schnell variieren und eine Schlussfolgerung aus historischen Daten nicht möglich ist, z.B. ein Ergebnis in Abhängigkeit von dem Bitcoin-Kurs um ein plakatives Beispiel zu nennen. Diese Risikoklasse hat einige Gemeinsamkeiten mit der Klasse 2, wenn man Segmente aus der Bandbreite herausdefiniert und alternative Endszenarien entwickeln kann. Für Werte im Grenzbereich zwischen den definierten Segmenten und bei sehr schnellen Veränderungen hilft dies allerdings nicht. Die Zukunft bleibt unsicher und kann in einer großen Bandbreite von Möglichkeiten eintreten.
  4. Echte Unklarheit die sich z.B. aus risikoreichen Akquisitionen, technologischen oder politischen Umbrüchen herleiten; insbesondere auch, wenn das eigene Agieren den Gesamtausgang wesentlich beeinflusst. Welche Kräfte dann am Ende die Oberhand gewinnen, ist unmöglich vorherzusehen und eine Szenario-Analyse wie in Klasse 2 oder 3 versperrt sich hier aus der Unzahl und Kombinatorik von möglichen Ausgängen

Im Vorfeld der Planung müssen alle verfügbaren und relevanten Informationen ermittelt und bewertet werden, um das Bewertungsrisiko möglichst auf die verbleibenden tatsächlichen Fakten zu reduzieren. Ein Risiko aus Unwissenheit muss dringend vermieden werden. Ignoranz kann aus dem Mangel an Erfahrung herrühren und könnte durch fremde Expertise behoben werden. Ignoranz im Sinn eines Nicht-Wissen-Wollens ist die gefährlichere Variante, aber nicht selten in der Realität anzutreffen in Abwägung mit höheren oder persönlicheren Zielen.

Frühwarnsystem einrichten
Bei einem Markteintritt hat man es in der Regel in einer Risikoklasse 2 oder 3 zu tun. Nur wenn der Markt doch schon leidlich bekannt ist, ist ein klassischer Planungsprozess wie im Fall 1 erfolgversprechend. Ein Szenario 4 ist zu vermeiden, allerdings sind externe Ereignisse unvorhersehbar und insbesondere politische Risiken können wider Erwarten schnell eintreten.

Ziel einer Unternehmensplanung und der operativen Planung ist es, einen einzigen Zielwert zu ermitteln und die Ressourcen und Aktivitäten auf dieses Ziel auszurichten. Am Ende wird man das Szenario als Planungsreferenz auswählen, das am schlüssigsten die interne wirtschaftliche Logik und die plausiblen Referenzen vereint.

Trotzdem sind die anderen ermittelten Szenarien oder Bandbreiten von hoher Relevanz. Sie helfen eine Übereinkunft über unakzeptable Szenarien zu erzielen, dessen Entwicklung frühzeitig zu erkennen und schon im Vorfeld Gegenmaßnahmen zu erwägen. Diese unakzeptablen Risiken können vielfältiger Natur sein: zum Beispiel ein massiver Finanzierungsbedarf, uneinholbarer Rückstand im Markt oder unhaltbare Risikopositionen. Sie müssen vom Management bewertet werden. Die Szenarien helfen, diese Risiken zu benennen und mit Kenngrößen zu versehen. So können Grenzen gezogen werden und die Organisation hat Orientierungspunkte für ihr Handeln. In einem Beispiel in Osteuropa hat sich herausgestellt, dass Anlaufverluste unterhalb einer kritischen Marge über einen überschaubaren Zeitraum sich nicht mehr durch operative Maßnahmen kompensieren lassen, es gibt im gesamten Markt nicht eine einzige Erfolgsgeschichte: Der Standort funktioniert nicht, manchmal aus nicht beeinflussbaren Gründen: Die Verlegung einer Bushaltestelle kann für frequenzsensitive Geschäfte das Aus bedeuten. Von diesem Zeitpunkt an weiß die Organisation, dass es nur noch darum gehen kann, die Verluste zu minimieren und den Standort ggf. wieder zu abzustoßen, anstatt wertvolle Unternehmens-Ressourcen mit hoher Intensität in einen aussichtslosen und kostenintensiven Turnaround-Versuch zu schicken.

Flexibel reagieren können
Neue Märkte zu entwickeln geht immer mit Risiken einher. Daher ist es gut, eine plausible und nachvollziehbare Zielvorstellung zu haben und die Risiken ihrer Erreichung identifizieren und überwachen zu können.

In der Umsetzung ist es entscheidend immer eine alternative Route offenzuhalten, gegebenenfalls sogar einen Rückzug. Konkrete Aktivitäten, die die Flexibilität reduzieren und dadurch die Risikoauswirkung noch erhöhen, wie z.B. überdimensionierte oder einengende Investitionen, eine großzügige Sicherheitenvergabe oder auch Put-Optionen in einem JV-Vertrag, die wertmäßig den operativen Gewinn deutlich übersteigen. In einem risikoreichen Umfeld ist Flexibilität ein strategischer Vorteil, auch wenn es kurzfristig etwas kostet. Selbst wenn eine bestimmte Geschäftspraxis im Stammgeschäft akzeptabel ist, wäre sie für einen Markteintritt nicht angemessen. Die Risikoauswirkung erhöht sich dramatisch und kann allein durch die Existenz das Tagesgeschäft negative beeinflussen, da mehr Zeit in die Simulation spieltheoretischer Optionen investiert wird („tun oder lassen“) als in die Entwicklung des operativen Geschäftes selbst.