Patrick Leuthard, Experte in Rechnungslegung und Controlling, ist seit über zehn Jahren in Management-Positionen führender internationaler Konzerne tätig. Drei Jahre hat Leuthard in Stockholm gelebt und gearbeitet. Er besitzt ein MBA der Stockholm School of Economics. Für unseren C4B-Blog gab uns Patrick Leuthard wertvolle Praxistipps zur operativen Planung. Im zweiten Teil unseres Interviews, welches wir in der kommenden Woche präsentieren, geht es um das Thema Beyond Budgeting.
Herr Leuthard, alljährlich im Herbst beginnt das Ritual der Planung. Es gilt, sinnvolle Parameter für das kommende Jahr aufzubauen. Sind diese mit herkömmlichen Planungsmethoden zu finden?
Wir kennen es alle: Bei der operativen Planung bindet die Abstimmung zwischen den Hierarchiestufen viele Ressourcen, oft über mehreren Wochen oder sogar Monate. Ich treffe immer wieder auf weitere Herausforderungen: Gängige Ziele und Zielsysteme, enthalten in Plänen, Budgets, Scorecards oder Verkaufsquoten, fördern eher die Orientierung nach innen und an kurzfristigen Zielen. Nehmen Sie einmal die Planung nach der Bottom-Up-Methode: Bei ihr sind die Ziele meist zu wenig ambitioniert. Im Gegenteil dazu die Top-Down-Planungen, sie tendieren dazu, zu sportlich zu sein – beides mit negativen Folgen für die Unternehmung.
Was können das für Folgen sein?
Da möchte ich zunächst gerne auf die Tücken des Top-Down-Prozesses eingehen. Die Unternehmensleitung setzt erfahrungsgemäß hohe Ziele an. Entweder steht sie von den Aktionären unter zu hohem Druck oder versteht die einzelnen Bereiche zu wenig gut, um realistische Zielevorgaben machen zu können. Mögliche Effekte: Vom Vertrieb werden die von der Unternehmensleitung vorgegebenen Umsatzziele als unrealistisch hoch empfunden. Immer wieder erlebter Effekt: Man ist frustriert und schweigt. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung herrscht Frustration – die hochgesteckten Ziele der F&E sollen weiterhin erreicht werden, allerdings mit nur noch 90 Prozent der F&E Mitarbeitenden. Da beobachtet man vermehrt Burnouts. Dies können Sie praktisch auf alle Unternehmensbereiche herunterbrechen.
Und beim Bottom-Up-Prozess gibt es diese Probleme nicht?
Da wird mit tieferen Umsätzen und höheren Kosten geplant und es herrscht sicherlich eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit der Planung. Als nachteilig kann es sich hier allerdings herausstellen, wenn die Zusammenfassung aller Teilpläne das gesamtunternehmerische Zielniveau nicht erreicht.
Also kann man mit keiner der beiden Ansätze eine befriedigende Planung erstellen?
Ich denke nicht. Eine befriedigende und realistische Planung wird selten mit dem Top-Down, Bottom-Up oder einem kombinierten Ansatz erreicht: asymmetrische Information, eine bonusgetriebene Kultur und schlussendlich ein immer volatileres Marktumfeld machen dies unmöglich. Natürlich, die isolierte Erstellung der Teilpläne ist problemlos, sowohl zeitlich als auch qualitativ. Erst bei der Abstimmung zwischen den Hierarchie-Ebenen entstehen Konflikte, mit negativen Folgen für das Unternehmen und die Mitarbeiter. Meiner Erfahrung nach ist eine realistische Planung eher möglich, wenn relative Ziele gesetzt werden und eine verantwortungsvolle Kultur in der Unternehmung vorherrscht.
Können Sie das Problem mit der asymmetrischen Information näher erläutern?
Bei der Planung haben die unteren Hierarchiestufen mehr Informationen als die höheren und tendieren dazu, dies auszunutzen. Generell besteht ein immenser Druck, die während der Budgetierung festgelegten Ziele zu erreichen. Wenn Sie als Manager versuchen, Ihre Ausgaben zu erhöhen oder sich die Investitionsfreigabe für ein Projekt zu sichern, budgetieren Sie 50 Prozent mehr als Sie tatsächlich benötigen. Später werden Sie von der Geschäftsleitung wieder auf den ursprünglich avisierten Betrag runtergehandelt. Dies kann zu Verzerrungen, unrichtigen Angaben und sogar Manipulationen führen, die selbst in ethischen Unternehmen vorkommen können. Der Verhandlungsmechanismus ist sehr zeitintensiv, demotivierend und generiert keinen Mehrwert. Dieses Dilemma lösen Sie jedoch nicht mit Tools oder Prozessen, sondern mit einer veränderten Unternehmenskultur.
Wie kann man besser feststellen, wo die Unternehmensreise hingeht? Welche Planungsmethoden haben sich in der Praxis bewährt?
Mit der Einführung neuer Steuerungsinstrumente wie der Balanced Scorecard oder dem Value-Based-Management haben viele Unternehmen einen Rahmen für ein an Strategie und Kapitalmarkt ausgerichtetes flexibleres Performance-Management geschaffen. Damit die Strategiesteuerung auch im Tagesgeschäft greift und nicht an der traditionellen Budgetsteuerung scheitert, braucht es auch eine Flexibilisierung der operativen Planung und der Maßnahmensteuerung. Ich plädiere dafür, relative Ziele zu setzen und auf eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur zu bauen – dies sind auch Prinzipien des „Beyond Budgeting“-Konzepts. Man verzichtet auf Budgets, ersetzt die traditionelle Budgetierung durch ein flexibles und dezentrale Initiative förderndes Managementmodell.
Lesen Sie in der kommenden Woche im zweiten Teil unseres Interviews mit Patrick Leuthard mehr zum Thema Beyond Budgeting.
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