Wann darf man trotz Pulitzer-Preis nicht beim Springer-Verlag arbeiten? Und was hat das mit der Digitalisierung, auch im Finance, zu tun? In der zweiten Podcast-Folge von „CONTROLL & ROLL“ spricht Ute Schröder dazu mit Dr. Roland Deinzer, Leiter Strategisches Controlling bei der Bundesagentur für Arbeit. Das nachfolgende Interview gibt einen Ausschnitt aus der Podcast-Folge wieder. Wer neugierig auf das gesamte Gespräch geworden ist, kann es hier nachhören.
Dr. Deinzer, was bedeutet Veränderung der Arbeitswelt für Sie persönlich, wie erleben Sie das?
Als vor sechs, sieben Jahren die Debatte darüber begann, welche Beschäftigungseffekte die fortschreitende Digitalisierung und damit verbundene Automatisierung von Tätigkeiten und Arbeitsprozessen nach sich ziehen wird, stand auch bei der Bundesagentur für Arbeit die Kernthese im Raum, dass die Digitalisierung zunächst Jobverluste bedeute. Und zwar vor allem für Geringverdiener. Wir sind dann zu einer Tour zu großen Arbeitgebern in Deutschland aufgebrochen, um uns von ihnen erzählen zu lassen, was für sie Digitalisierung bedeutet und wie sie damit umgehen.
Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?
Das für mich in Sachen Digitalisierung einschneidendste Erlebnis hatte ich beim Springer Konzern. Das Verlagshaus war schon früh davon überzeugt, dass gedruckte Tageszeitungen und Magazine ein Auslaufmodell sind, und setzte auf Kosten der „alten Medien“ klar auf digitale Inhalte – unter dem Motto „Digital First.“ Ein Vertreter vom Springer-Verlag erzählte uns, dass niemand mehr für ein gedrucktes Produkt, sondern nur noch für digitale Produkte arbeiten würde. Für den Journalisten würde dies bedeuten, dass er Onlinepublishing-fähige Texte schreiben, Bilder und Videos bearbeiten und auf Social Media aktiv sein muss. Wenn ein Journalist das nicht kann, so die Verlagsvertreter damals, dann kann er den Pulitzer-Preis gewonnen haben, aber trotzdem nicht mehr bei Springer arbeiten. Mir wurde in diesem Moment eines klar: Journalisten zählen nicht zu den gering-qualifizierten Arbeitnehmern. Damit greift der Gedanke, die Digitalisierung bedeute für uns vor allem eine Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen und Geringverdienern, zu kurz.
Worum geht es stattdessen?
Das bedeutet, dass wir jedes Berufsbild genau anschauen müssen, um zu schauen, welche Bestandteile weiterhin bestehen bleiben und welche Aufgaben sich digitalisieren und automatisieren lassen. Jeder und jede Einzelne hat dann die Wahl, ob er oder sie in dem erlernten Beruf bleiben möchte und sich in seinem Bereich auf die Tätigkeiten konzentriert, die nicht digitalisierbar sind, wie Beratung. Oder sich digitales Spezialwissen aneignet und in neuen Bereichen arbeitet.
Und was heißt das für die Finanzfunktionen?
Letztendlich werden sich für die Controller bei der Bundesagentur für Arbeit zwei verschiedene Berufsbilder herauskristallisieren. Zum einen der klassische Controller, der tiefe Kenntnisse der Materie besitzt und gut beraten können muss. Zum anderen der Data Scientist, der Daten aufbereiten und interpretieren kann. Das wird bei ganz vielen Berufen so sein – und jeder sollte sich fragen, wo er den Schwerpunkt, den Kern seiner Arbeit sieht und welche Aufgaben digitalisierbar und automatisierbar sind.
Also muss man sich entscheiden: Ich werde IT-lastiger, beschäftige mich mit Trends, KI und Analytics. Oder ich habe meinen Schwerpunkt im Bereich Beratung, Kommunikation und fungiere als Businesspartner? Wie sehen Sie das für den Mittelstand?
Zunächst möchte ich noch einmal einen Aspekt ergänzen, und zwar was das Thema Mindset anbelangt. Es ist durchaus noch nicht bei den Kunden im Controlling, also bei den Führungskräften, angekommen, dass Self-Service-Controlling künftig mit zu ihren Aufgaben gehört. Der Controller, der einen Customized-Bericht für die Führungskraft erstellt, den wird es künftig nicht mehr geben. Wir haben auch im Controlling ein Ressourcen-Thema. Und es muss sich deshalb dahin entwickeln, dass das Controlling standardisierte Produkte bereitstellt. Das sind unsere Self-Service-Produkte, die werden jetzt auch nicht mehr verändert, das sind die Standardberichte, das sind die Kennzahlen, auf die wir uns geeinigt haben. Den Excel-Bastler, den wird es nicht mehr geben.
Warum in der Corona-Krise die Controller an Ansehen gewonnen haben, was digitale Spezialkompetenzen sind und weitere spannende Insights bietet die vollständige Podcast-Folge.
Über Dr. Roland Deinzer
Dr. Roland Deinzer leitet seit mehr als 9 Jahren das Strategische Controlling und die Unternehmensentwicklung der Bundesagentur für Arbeit und ist Keynote Speaker für das Thema Arbeiten 4.0.
Auch das Thema Digitalisierung – digitale Grundkompetenzen vs. digitales Spezialwissen – bekommt in seinen Vorträgen eine Bühne.
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