• 13. Mai 2020

Digitalisierung versus Automatisierung – Ein Gastbeitrag von Denis Glowicki (2/2)

Digitalisierung versus Automatisierung – Ein Gastbeitrag von Denis Glowicki (2/2)

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Erreicht man mit der Automatisierung eines Prozesses bereits das Ziel der Digitalisierung? Ein Problem ist, dass Unternehmen noch in einer Welt voller Medienbrüche arbeiten, sagt Finance-Manager Denis Glowicki. Im zweiten Teil seines Gastbeitrags (den ersten Teil können Sie hier nachlesen) befasst sich Glowicki unter anderem mit dem Schnittstellen-Dilemma und wie man es lösen kann.

Nehmen wir es gleich vorweg, die Spezies der „Humans data vectura“ und deren Vorgesetzten sind zum Teil selbst schuld an ihrem Schicksal. Sie müssten doch eigentlich selbst merken, wieviel Zeit sie mit stupiden Tätigkeiten verbringen, die mit Daten-Schnittstellen sicherer und effizienter funktionieren würden. Begeben wir uns mal auf eine Spurensuche.

  1. Haben Sie einen Überblick über alle ablaufenden Prozesse in Ihrem Unternehmen? Ich behaupte ab einer Unternehmensgröße von mehr als zehn Mitarbeitern wird es schwierig alle anfallenden Arbeitsschritte zu kennen. Die einzelnen Personen werden zu Experten in Ihrem Teilbereich, der Blick nach links und rechts wird eingeschränkt, das ist völlig normal. Schwierig wird es aber, wenn das eigene Wissen darüber nur noch begrenzt vorhanden ist, was die vor- und nachgelagerten Prozesse seiner eigenen Tätigkeiten sind. Das heißt anders ausgedrückt: Wo kommen meine Aufgaben her und was passiert mit meinen Arbeitsergebnissen? Und schon befinden wir uns im ersten Schnittstellen-Dilemma. Sind Herkunft und/oder Verwertung nicht bekannt, kann keine Verbesserung und Optimierung mehr im Ablauf eintreten. Im Einzelnen werden Tätigkeiten nicht mehr auf deren Nutzen hinterfragt. Es fehlt hier die Rückkopplung des Empfängers: Ich brauche diese Information nicht mehr. So entsteht im Laufe der Zeit so genannte Blindarbeit. Der zweite Casus-Knacktus besteht darin, ob erstellte Informationen auch in der Form vorliegen, um sie optimal weiter zu verarbeiten. Schlimmstenfalls steckt der Sender Zeit und Gehirnschmalz in eine Informationsaufbereitung, von der nur ein Teil nutzbringend ist oder die der Empfänger auf seine Bedürfnisse wieder anpasst.
  2. Jenseits von SAP, Sage und Co. kommen in Unternehmen diverse Software-Systeme für unterschiedliche Zwecke zum Einsatz. Bei der Auswahl wird viel Wert auf Funktionalität und benutzerfreundliche User-Interfaces das so genannte Front-end gesetzt. Darüber hinaus finden meist nur die Systemanforderungen Berücksichtigung bei der Auswahl. Wie steht es aber mit solchen Fragen zum Back-end wie:
    Welche Import-/Export-Schnittstellen und Formate existieren?
    Gibt es neben einem Benutzerhandbuch auch eine Datenbankbeschreibung?
    Lassen sich Abfragen (Queries) selbst erstellen und zeitgesteuert generieren?
    Ohne diese Fragen des Back-end zu klären, begibt man sich in das nächste Schnittstellen-Dilemma. Dazu benötigt man einen Überblick aller Prozesse, die Informationen aus der Software beziehen oder übergeben. Für die Zukunftsfähigkeit sind die Fragen des Datenaustauschs, des Datenzugriffs und der Eigen-Administration essenziell, denn für eine stetige Verbesserung der Prozessabläufe in Form von Automatisierung werden viele Anpassungen notwendig sein. Außerdem werden durch die Berücksichtigung der obigen Fragen zum Back-end der Software die Datensilos durch Datenpools ersetzt und dieser Pool ist Basis von so ziemlich allem, was mit der ganzheitlichen Datenanalyse im Unternehmen zusammenhängt. Der eigenen Administration und Anpassung kommt besondere Bedeutung zu, denn Geschäftsprozesse ändern sich relativ häufig und jegliche Softwareveränderung abweichend vom Standard, lassen sich die Hersteller gut bezahlen.
  3. Es werden einheitliche unternehmensübergreifende Schnittstellen benötigt. Es fehlt an der Vorgabe einheitlicher Standards durch den Gesetzgeber. Nur branchenbezogen gibt es Lösungen wie z.B. EDI. Seit Jahren bastelt der Gesetzgeber an so etwas wie der elektronischen Rechnung mit seinem Projekt ZUGFeRD. Bis heute gibt es keine verpflichtende Anwendung oder einen Termin dafür. Der Fiat hat den Mercedes vor kurzem überholt, in Italien ist seit 1.1.2019 die elektronische Rechnung in Form eines Datensatzes für Inlandskunden verpflichtend. Die Rechnung ist aber nur ein Teil dessen was an B2B-Datentransfers notwendig ist. Was ist mit Bestellungen, Lieferscheinen usw. wie ich es im vorherigen Beispiel versucht habe zu erklären? Wie viele Menschen betätigen sich tagtäglich als Humanus data vecturas, also als Analog-Digital-Wandler? Immerhin gibt es einige Servicedienstleister, die Unternehmen den Austausch von strukturierten Daten ermöglichen indem sie diese in vielerlei Datenformaten annehmen und dann transformieren und das Gleiche auch wieder in umgekehrter Richtung. Regulierungen zu Schnittstellen würden diesen Umweg und auch die Kosten ersparen, denn dann wäre diese bereits durch die Software-Hersteller implementiert und das Schnittstellen-Dilemma wäre gelöst. So was gehört in der so genannte „digitale Strategie 2025“ ganz oben auf die To-do-Liste – ist dort aber mit keinem Wort erwähnt.

 

Schlusswort

Hoffnung besteht immer, so heißt es. Mir macht beispielsweise folgende Prognose Hoffnung, dass sich was ändern wird:

Bericht des BMAS zur Arbeitsmarktprognose 2030

Dabei streiten sich aber gerade noch die Gelehrten, was eintritt: Massenarbeitslosigkeit durch die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) oder steigende Nachfrage nach Arbeitskräften und damit steigende Arbeitskosten. Die orangene Linie ist daher unsicher. Ziemlich feststehend ist dagegen die blaue Linie der verfügbaren Erwerbstätigen. Im zweiten Fall, sprich die KI-Entwicklung ist nicht so schnell, wird es darauf ankommen, die Arbeitszeit effizient zu nutzen und dann wird vielleicht der „Humanus data vecturas“ und das Unternehmen, das sich um diese Spezies kümmert und pflegt, vom Aussterben bedroht sein.

Abseits der Regulierung von Daten-Schnittstellen kann man sich aber auf das drohende Ende der humanoiden Datentransporteure vorbereiten, indem man seine ablaufenden Prozesse im Unternehmen und externe Dateneingänge und –ausgänge kennt, egal ob es sich noch um analoge oder schon  um digitale Schnittstellen handelt. Damit können Sie das Potential erkennen und heben das darin schlummert.

Mit dem C4B-Team und Berufskollegen aus anderen Unternehmen haben wir für einen großen Teil der administrativen Prozesse Musterbeschreibungen, wie sie in den meisten Unternehmen vorkommen, erstellt. Darin haben wir auch eine ganze Reihe von Tipps zur Digitalisierung aufgenommen, damit die Leser Beispiele haben, wie sie ihre analogen Gewohnheiten loswerden. Man kann für die Aufnahme der Prozesse und Lösungsvorschläge natürlich auch ein Beratungsunternehmen engagieren. Aber zumindest was die Prozessaufnahme betrifft: Wer kennt die Abläufe am besten? Richtig – die Mitarbeiter. Vergeuden Sie also nicht weiter wertvolle Arbeitszeit an humanoide Datentransporteure, sondern schaffen Sie sinnstiftende Arbeit und überlassen Sie die Datenverarbeitung, -prüfung und –auswertungen denen, die das unendlich viel schneller und fehlerfreier können, den Servern, Datenbanken und KI’s dieser Welt.