Die Angst vor dem Kontrollverlust geht um, angesichts der New-Work-Bewegung, die durch die Pandemie an Zulauf gewonnen hat. Warum eigentlich? Warum sollten nicht auch hybride Arbeitsmodelle Goldstandard sein können? Die neue Arbeitswelt bietet viele Chancen, wenn die Einstellung stimmt, meint Nils Seebach, Co-Geschäftsführer und CFO der Digitalberatung Etribes.
Mit dem Ende der gesetzlichen Home-Office-Pflicht ist in vielen Unternehmen wieder alles beim Alten. Alle Mitarbeitenden kommen ins Büro zurück, vielleicht gibt es Stechuhren und unausgesprochene Wettbewerbe im Möglichst-lange-am-Schreibtisch-sitzen…
Wer als Arbeitgeber darin eine Traumvorstellung sieht und beim Lesen verzückt mit dem Kopf nickt, muss enttäuscht werden: Nichts ist mehr, wie es war. Allein, weil aus medizinischer Sicht – die Inzidenzen liegen überall auf Rekordniveau, Trend steigend – die Anordnung zur Rückkehr ins Büro fraglich ist. Und weil die meisten Mitarbeitenden mit Büroanschluss im Laufe von zwei Jahren Pandemie die Vorzüge flexibler Arbeitsmodelle zu schätzen gelernt haben. Da mag der Gang ins Büro eine willkommene Abwechslung sein. Aber zu glauben, dass es reine Büroarbeit je wieder geben wird, wäre realitätsfremd.
Neue Arbeitsmodelle sind mehr als eine Mode
Die Zeiten, in denen etwa der Senior durch die Büros läuft und Mitarbeitende mit Handschlag und kurzem „Wiegehtswiestehts“ begrüßt, sind vorbei. Nicht, weil 3G, 2G oder 2G+ das verhindern, sondern weil künftig eben kaum noch Mitarbeitende in den Büros arbeiten werden. Home Office, Flex Office, Remote Work – all diese Formen modernen Arbeitens sind die Zukunft.
Wie also funktioniert beispielsweise Führung, wenn hybride Arbeitsmodelle zum Standard werden? Mit dieser Frage sollte sich jeder ernsthaft befassen, angesichts der durch die Corona-Pandemie katalysierten New-Work-Bewegung. Die Angst vor Kontrollverlust ist groß. Dabei bietet die neue Arbeitswelt viele Chancen – wenn die Einstellung stimmt.
Dass noch zu oft Skepsis herrscht oder gar Widerstand geübt wird, was Neuerungen à la New Work angeht, zeigt sich an den weit verbreiteten Weisungen gen Mitarbeitenden, jetzt – mit Ende der Home-Office-Pflicht – bitte schnellstmöglich ins Büro zu kommen.
Aber warum eigentlich? Meiner Beobachtung nach ist man überall da in Alarmbereitschaft versetzt, wo im Zuge der Digitalisierung noch zu wenig passiert ist. Wo es noch keine Tools wie Slack, Teams & Co. gibt oder wo – ganz grundlegend – das Vertrauen in technologiegestützte Eigenverantwortung der Mitarbeitenden als modernes, ja zentrales Kulturelement nicht angesehen wird.
Talente wollen flexibel arbeiten — Unternehmen profitieren
Dabei ist Unternehmenskultur, ist Arbeit längst keine Frage des Ortes mehr, sondern des Vertrauens. Wer dieses Vertrauen in seine Mitarbeitenden nicht aufbringt, hat schlechte Karten. Gerade junge, digitale Talente fordern immer mehr Flexibilität und Freiheit. Weil sie es von anderswo – Start-ups etwa – so kennen. Und weil sie es können: Der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft, ein Talent hat gefühlt 100 Jobs zur Auswahl. Es geht bei der Frage um neue Arbeitsmodelle also nicht nur um neues Leadership, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit und damit: um die Existenz.
Andere bei ihrer Arbeit zu unterstützen, ihnen den passenden Raum (sic) zu geben, um sich zu entfalten, und visionär zu sein – dafür müsse Leader heute mehr denn je sorgen. Auch Dinge zu hinterfragen, muss Standard sein. Das zu liefern und sicherzustellen, erfordert einigen Aufwand. Da ist es doch auch nett, das bequem vom heimischen Sofa aus machen zu können.
Nun schließen sich ökonomische Erfolge und empathisches Leadership nicht aus. Im Gegenteil: Das eine folgt durchaus aus dem anderen. Das ist die Einstellung, die es braucht, um die neue Arbeitswelt zu gestalten und neuen Arbeitsmodellen zum Wohle des Unternehmens und damit auch der Gesellschaft eine Chance zu geben. Nur Mut!
Fotos: Canva, Nils Seebach
Über den Autor
Nils Seebach ist Unternehmer, Aufsichtsrat und Digital-Experte. Als Co-Geschäftsführer und CFO der Digitalberatung Etribes treibt er die Digitalisierung Deutschlands voran. Daneben ist er auch bei verschiedenen Familienunternehmen als Beirat oder Ratgeber engagiert.
Nils Seebach auf LinkedIn. Und hier geht es zu seinem eigenen Blog.