Teil 2 von 2
Patrick Leuthard, Experte in Rechnungslegung und Controlling, hat uns im ersten Teil unseres Interviews viele wertvolle Informationen zum Thema operative Planung gegeben. Im heutigen zweiten Teil unseres Gesprächs mit dem Schweizer Manager geht es um das Thema Beyond Budgeting.
Herr Leuthard, Sie haben das im ersten Teil unseres Gesprächs bereits angesprochen: Eine flexiblere Planung erreiche man durch den Verzicht auf Budgets und indem man die traditionelle Budgetierung durch ein flexibles und dezentrale Initiative förderndes Managementmodell ersetzt. Können Sie uns den Ansatz des Beyond Budgeting näher vorstellen?
Das Beyond-Budgeting-Modell wurde vom „Beyond Budgeting Round Table“(BBRT) des „Consortium for Advanced Manufacturing-International“(CAM-I) in London entwickelt. Es besteht aus zwölf Prinzipien: sechs Prinzipien, die die Unternehmenskultur und die Führung betreffen, und sechs weiteren Prinzipien, die sich auf den Planungs- und Steuerungsprozess selbst beziehen. Wichtig ist, dass diese zwölf Prinzipien ein ganzheitliches Modell darstellen, nicht nur eine Auswahl von Möglichkeiten. Die Implementierung ist ein Entwicklungsprozess, in dem Organisationen unterschiedliche Elemente zu unterschiedlicher Zeit unterschiedlich gewichten. Das Ziel ist es, ein kohärentes Modell aufzubauen.
Welche Planungsprinzipien zählen dazu?
Es gilt zunächst, relative Ziele zu setzen, für eine ständige Leistungsverbesserung. Zweites Prinzip ist, Erfolg aufgrund von relativer Leistung zu belohnen. Das dritte Prinzip ist, Planung zu einem umfassenden und kontinuierlichen Prozess machen. Ferner gilt es, Kontrollen auf relative Leistungsindikatoren und Trends zurückzuführen sowie Ressourcen nach Bedarf zur Verfügung zu stellen. Als letztes der sechs Planungsprinzipien steht die Koordination im Mittelpunkt: Aktivitäten sollten dynamisch koordiniert werden.
Und welche Unternehmens- beziehungsweise Führungsprinzipien sind wichtig?
Wichtig ist das Prinzip der Verantwortung. Stellen Sie sicher, dass jeder wie ein Unternehmer denkt und handelt. Dies kann beispielsweise durch autonome Profitcenter umgesetzt werden. Zudem sollte das Thema Kundennähe im Mittelpunkt stehen: Alle Mitarbeitenden sollten sich für die Zufriedenstellung der Kunden verantwortlich fühlen. Dabei hilfreich auch das Prinzip der Netzwerke: Bilden Sie schlanke Netzwerke mit verantwortungsvollen Teams. Führung durch geteilte Werte und klare Führungsrichtlinien soll schnelle, dezentrale Entscheidungen innerhalb festgelegter Rahmenregelungen ermöglichen. Transparenz ist ebenfalls wichtig: Überall und unmittelbar (Real Time) verfügbare Informationen sollen zu größtmöglicher Transparenz und verteilter Kontrolle führen. Als letztes Prinzip in der Reihe der Führungsprinzipien ist die Autonomie wichtig: Übertragen Sie den Teams die Freiheit und Möglichkeit zu handeln.
Die Prinzipien, die Sie genannt haben, sind ja keine Instrumente oder Tools. Und mit Prinzipien allein lässt sich Beyond Budgeting sicher nicht umsetzen. Können Sie uns Beispiele aus der Praxis nennen, wie dies gelingen kann?
Es gibt zahlreiche Firmen, die das Beyond-Budgeting-Modell erfolgreich umgesetzt haben. Es ist kein Zufall, dass sich darunter auch Ikea und Svenska Handelsbanken befinden, liegt die Kultur von Schweden der geforderten Unternehmenskultur für Beyond Budgeting doch sehr nahe. Für die Umsetzung gibt es eine kurze und eine lange Version. Die kurze Version lautet: Ersetzen der traditionellen Budgetierung durch einen Rolling Forecast mit relativen Zielen. Die lange Version ist wesentlich anspruchsvoller: Es geht um eine Transformation der Unternehmenskultur, was sehr zeitintensiv und aufwändig ist. Ist der Kulturwandel erfolgreich vollzogen, werden die Mitarbeitenden freiwillig auf die traditionelle Budgetierung verzichten und dank der neu erlangten Denkweise mit nur wenigen Kennzahlen führen und entscheiden können und wollen. Idealerweise wird dieser Veränderungsprozess von externer Seite unterstützt und begleitet. Die neue Unternehmenskultur ist absolut zentral, das heißt ohne diese wird das neue Modell nicht funktionieren. Damit dürfte auch klar sein, dass das Top-Management, insbesondere der CEO, geschlossen hinter der Initiative stehen muss.
Also gibt es keine vorab fixierten Ziele mehr? Funktioniert das in der Praxis? Und wenn ja, wie funktioniert das?
Es gibt keine absoluten Ziele mehr, das ist richtig. Diese werden durch verschiedene relative Ziele ersetzt. Es ist doch viel ehrlicher zu sagen, dass man ein Prozent mehr wachsen möchte als der Marktführer, als wenn man budgetiert, zehn Millionen mehr Umsatz zu machen: Bei starken Marktschwankungen können die zehn Millionen nämlich ein Klacks sein oder unerreichbar, je nach dem wohin und wie schnell sich der Markt bewegt. Wenn man den Kompass auf den Marktführer einstellt, werden sich die Ziele mit dem Markt verändern und relevant bleiben. Das gilt auch für die Kosten: Anstatt mit absoluten Eurobeträgen zu operieren, verwendet man Prozentsätze des Umsatzes. Bei höheren Umsätzen darf man mehr ausgeben, bei tieferen Umsätzen weniger.
Herr Leuthard, ganz herzlichen Dank für das Interview und die Einblicke, die Sie uns gewährt haben! Liebe Leserinnen und Leser – was denken Sie:
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