Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte hat in einer Studie bereits zum dritten Mal die Working-Capital-Entwicklung deutscher Unternehmen untersucht. Die Bindungsdauer des Working Capital hat sich in den meisten Unternehmen um mindestens einen Tag erhöht, das Nettoumlaufvermögen ist um 5 Prozent auf 243 Mrd. Euro gewachsen, so die Ergebnisse der Studie aus dem Jahr 2016. Laut Deloitte scheint angesichts niedriger Zinsen und eines hohen Barmittelbestandes bei vielen der analysierten Unternehmen das Thema der Umlaufvermögensbindung aus dem Fokus zu geraten. Das bestätigen auch Untersuchungen von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Deutsche Unternehmen seien zwar bekannt für ihre gute Zahlungsmoral, räumen aber ihren Kunden lange Fristen ein. Im Durchschnitt dauere es in den USA nur 39 Tage, bis eine Rechnung bezahlt wird, in Deutschland dagegen 46 Tage. Unterm Strich haben Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum die höchste Working-Capital-Quote in Europa.
Das stimmt auch mit meinen Beobachtungen überein. In der Unternehmenspraxis zollt man dem Working Capital häufig erst dann Aufmerksamkeit, wenn es bereits Liquiditätsengpässe gibt. Zudem fehlt vielfach die Zuordnung zu einem Verantwortlichen. Deshalb möchte ich mich auf dem Blog einmal wieder dem Thema Working Capital Management (WCM) widmen und wichtige Stellschrauben beleuchten. Denn eines ist klar: Die gesamten Wertschöpfungsprozesse unter die Lupe zu nehmen – und dauerhaft im Auge zu behalten – zahlt sich aus. Da die Kennzahlen zur Steuerung des Working Capital auch bei Unternehmensratings herangezogen werden, wirkt sich ein aktives Working Capital Management auch positiv auf die Bonität eines Unternehmens aus.
Quantitative und qualitative Bestandsaufnahme
Ziel des Working Capital Managements ist es, das im Unternehmen gebundene Kapital knapp zu halten. Die verschiedenen Unternehmensbereiche wie Finanzabteilung, Vertrieb oder Produktion müssen bei der Optimierung an einem Strang ziehen. Klar ist, dass dies häufig nicht ohne Widerstände geschieht, denn schließlich haben die verschiedenen Unternehmensbereiche unterschiedliche Interessen. Aber auch wenn verschiedenen Abteilungen beteiligt sind, muss jemand die Verantwortung für diesen Prozess übernehmen.
An den Anfang einer Working Capital-Optimierung gehört eine gezielte quantitative und qualitative Bestandsaufnahme:
- Welches sind die unternehmenseigenen wichtigsten strategischen und operativen Working Capital-Treiber?
- Welche Auswirkungen haben diese auf Kapitalbindung, Cashflow sowie Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)?
- Welche Optimierungsmaßnahmen können kurzfristig umgesetzt werden?
Im Rahmen des Working Capital Managements stehen vor allem drei Gestaltungsbereiche im Vordergrund:
- Management von Forderungen (Prozess Order-to-Cash)
- Management von Verbindlichkeiten (Prozess Purchase-to-Pay).
- Bestands- oder Vorratsmanagement mit Lieferkette, Logistik und Lagerhaltung (Supply Chain Management)
Im kommenden Blogbeitrag widme ich mich zunächst den Schlüsselkennzahlen des WCM.
(Hinweis: Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form bereits 2015 auf dem C4B Blog veröffentlicht).
In Zeiten niedriger Zinsen ist das Thema Working Capital leider bei vielen Unternehmen in die „zweite Reihe“ gerückt. Wenn sich aber Unternehmenssituation ändert und auch die Zinslage wieder anzieht, kann man nicht sofort umschalten. Es dauert schon etwas die einzelnen Prozesse zu optimieren. Der CFO selbst oder ein ihm direkt zugeordneter Mitarbeiter muss sich hierum kümmern, um entsprechende Relevanz in der Organisation hierfür aufzubauen.