• 4. Februar 2020

Treiberbasierte Planung am Flughafen München (1/2) – Ein Interview mit Dr. Dirk Eichhorn

Treiberbasierte Planung am Flughafen München (1/2) – Ein Interview mit Dr. Dirk Eichhorn

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„Die treiberbasierte Planung trägt zur Versachlichung der Gespräche bei und unterstützt eine konsistente Planung über die gesamte Organisation hinweg.“
Interview mit Dr. Dirk Eichhorn, Leiter Konzernplanung und Grundsatzfragen Flughafen München GmbH – Teil 1

Der Flughafen München ist einer der passagierstärksten in Europa. In Deutschland ist er Nummer 2 und mit 46,3 Millionen Passagieren sowie 413.000 Starts und Landungen international auf den vorderen Plätzen. 1,5 Milliarden Euro Konzernumsatz erwirtschaftete die Flughafen München Gmbh im Jahr 2018. Als Infrastrukturanbieter ist der Flughafen gezwungen, viele Jahre in die Zukunft zu schauen, um die richtigen Entscheidungen zum Ausbau der Kapazitäten zu treffen. Dr. Dirk Eichhorn, Leiter Konzernplanung und Grundsatzfragen, setzt dafür auf treiberbasierte Planung.

Dr. Eichhorn, was macht die treiberbasierte Planung anders als klassische Planungsmodelle?

Dr. Eichhorn: Die treiberbasierte Planung beruft sich auf Wirkzusammenhänge, die nachweisbar oder zumindest plausibel sind. Damit spielt sie insbesondere dort eine Rolle, wo aufgrund von Informationsasymmetrien die Gefahr besteht, dass eine Bottom-up-Planung nicht ambitioniert genug ist. Im Vergleich zu einer Top-down-Planung, die häufig auf pauschalen Ergebnis- oder Umsatzsteigerungen beruht, ist die Treiberplanung fundierter und für die Betroffenen nachvollziehbarer.

Grundsätzlich sind die Konzepte aber auch kombinierbar – etwa indem Zielvorgaben aus einem treiberbasierten Modell abgeleitet werden und dann eine detaillierte Bottom-up-Planung stattfindet. Daher stellt die Treiberplanung keine neue Methode im Rahmen der Hierarchiedynamik dar.

Warum haben Sie sich für eine treiberbasierte Planung entschieden? Was war Ihr Ziel?

Dr. Eichhorn: Zunächst ist zu sagen, dass der Flughafen München bereits seit vielen Jahren mit treiberbasierten Modellen arbeitet. Der primäre Grund dafür ist die Szenariofähigkeit der Planung. Als Infrastrukturanbieter sind wir gezwungen, viele Jahre in die Zukunft zu schauen, um die richtigen Entscheidungen zum Ausbau der Kapazitäten zu treffen. Um etwa unterschiedliche Annahmen zur Verkehrsentwicklung oder zu Zeitpunkt und Ausgabenhöhe einzelner Projekte in kurzer Zeit reflektieren zu können, müssen die Wirkmechanismen soweit wie möglich fest „verdrahtet“ sein.

In den letzten Jahren wurde es uns zudem immer wichtiger, die Diskussion über den mittelfristigen Zeitraum mit den Kollegen in den dezentralen Bereichen und Beteiligungen zu suchen. Die treiberbasierte Planung trägt zur Versachlichung der Gespräche bei und unterstützt eine konsistente Planung über die gesamte Organisation hinweg.

Auf welche bzw. wie viele Treiber haben Sie sich beschränkt?

Dr. Eichhorn: Primäre Treiber sind bei uns die Passagierzahl und die Anzahl an Flugbewegungen. Damit definieren sich die Szenarien im Kerngeschäft Aviation und Commercial Activities. Im Real Estate Bereich sind wir stark projektabhängig. Dort stellt die vermietbare Fläche den primären Treiber dar.

Natürlich sprechen wir bei Planung immer von verschiedenen Ebenen. Der Verkehrsentwicklung vorgelagert ist die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland, Europa und der Welt. Daneben spielen wirtschaftliche Situation und Strategie der Airlines eine große Rolle. Gerade für eine Langfristplanung kommt die verkehrspolitische Entwicklung in Deutschland und Europa hinzu. Diese Aspekte haben wir jedoch nicht in unser Tool integriert, sie werden vorgelagert von Verkehrsspezialisten quantifiziert.

Neben den primären Treibern gibt es im System eine Vielzahl an Kennzahlen, die Kostentreiber sind. Das Anlagevermögen in Immobilien und technische Anlagen treibt die Instandhaltungskosten, die Gebäudefläche die Reinigungskosten, die Mitarbeiterzahl die (personenbezogenen) IT-Kosten usw. Die Anzahl dieser sekundären Treiber ist recht hoch – eine zweistellige Zahl.

Welches Planungstool nutzen Sie?

Dr. Eichhorn: Die Bottom up Planung und der Forecast werden mit IBM Cognos TM1 durchgeführt. Für die treiberbasierte Planung gehen wir nun auf Valsight über, nachdem wir traditionell mit Excel gearbeitet haben.


Was braucht es, um eine treiberbasierte Planung erfolgreich zu gestalten?

Dr. Eichhorn: Wichtig ist vor Allem, ein Verständnis für die Geschäftsmodelle zu entwickeln. Was treibt also Umsatz und Kosten? Für die Modellentwicklung muss man sich auf die Granularität einigen – horizontal, d.h. welche Organisationseinheiten bilde ich ab, und vertikal – wie tief gehe ich in die GuV hinein. Dann sind die Zusammenhänge zwischen Treiber und Planungsgröße über Korrelationsanalysen, Benchmarks oder Expertengespräche zu erheben und im Modell umzusetzen.

Wir merken immer wieder, dass der treiberbasierte Ansatz für viele Kollegen eine ungewohnte Denkweise darstellt. Da ist Überzeugungsarbeit zu leisten.

 

Im zweiten Teil unseres Interviews geht Dr. Dirk Eichhorn darauf ein, wo die Grenzen des Konzepts liegen und welche Stolpersteine es zu beachten gilt.


Über Dr. Dirk Eichhorn

Dr. Dirk Eichhorn ist Leiter Konzernplanung und Grundsatzfragen der Flughafen München GmbH und seit 2011 im Unternehmen. In seiner Rolle verantwortet der studierte Wirtschaftsingenieur die Planung, das Investitionsmanagement, Risikomanagement, Controlling-Methoden und Business Intelligence im Zentralcontrolling.Seit 2018 ist Dr. Eichhorn zudem Lehrbeauftragter für Konzerncontrolling an der TH Deggendorf.

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