Durch die Corona-Krise sind plötzlich viele Führungskräfte mit dem Thema virtuelle Führung konfrontiert. Großteile des Teams können nur noch aus dem Homeoffice heraus arbeiten – und Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf längere Zeit nur über Chat, Telefon und Videokonferenz zu kommunizieren. Manager Paul Liese ist es gewohnt, virtuell zu führen. Im Interview mit dem C4B Blog verrät der Geschäftsführende Gesellschafter der HSP Software GmbH seine Tipps, wie Homeoffice für alle gelingt und wie man Stolpersteine umschifft.
Herr Liese, was sind die größten Herausforderungen, wenn die Mitarbeiter* vom Homeoffice aus arbeiten?
Paul Liese: Damit virtuelle Teams erfolgreich sein können, ist eine gute Führung genauso wichtig wie in präsenten Teams – vielleicht sogar noch wichtiger. Bei HSP arbeiten wir seit vielen Jahren virtuell, meine Mitarbeiter dürften theoretisch fünf Tage pro Woche vom Homeoffice aus arbeiten. Eingespielt hat sich aber, dass das Team gerne an drei Tagen im Büro präsent ist, weil der persönliche Kontakt zu den Kollegen und auch die Zugehörigkeit für alle wichtig ist. Das spüren nun auch die Teams, die seit der Corona-Pandemie plötzlich überwiegend virtuell zusammenarbeiten. Den persönlichen Kontakt zueinander herstellen, Informationsfluss und Workflow anders zu organisieren, das sind die größten Herausforderungen.
Worauf sollten Führungskräfte achten, damit das auch virtuell klappt?
Paul Liese: „Remote Leadership“ ist kein Hexenwerk. Letztlich sind auch in virtuellen Teams Vertrauen, Transparenz und Zuhören die Basis für die Zusammenarbeit. Sie bilden den Rahmen und bedürfen gemeinsam festgelegter Regeln.
Welche Regeln haben sich bewährt?
Paul Liese: Egal ob im Homeoffice oder im Büro: Jeder fängt täglich zur gleichen Zeit an. Und es gibt Kernarbeitszeiten. Verbindliche Präsenzzeiten sind wichtig, damit alle, auch die Kunden, wissen, wann wir erreichbar sind. Bei uns gibt es einen Check-In zu Beginn des Arbeitstages. Tagsüber lasse ich mein Team wissen, dass ich jetzt zum Mittagessen gehe oder mal nicht erreichbar bin – und erwarte das auch vom Team. Dinge eben, die man im Büro einfach so mitbekommen würde.
Welche Stolperfallen gibt es denn in der virtuellen Zusammenarbeit?
Paul Liese: Der Informationsfluss muss gewährleistet werden, dazu gilt es, viel und aktiv zu kommunizieren. Woran arbeite ich gerade, was habe ich gestern bearbeitet, welche Hindernisse haben sich aufgetan. Das muss ich als Führungskraft vorleben. Daily Standups, also schnelle Updates für das ganze Team, sind eine Möglichkeit, das umzusetzen. Zu Beginn der Corona-Krise wird für viele Unternehmen auch die Schaffung der technischen Voraussetzungen für die virtuelle Zusammenarbeit und zudem der Umgang mit der Technik eine Herausforderung gewesen sein.
Welche Technik hat sich denn bewährt?
Paul Liese: Bei uns staubt das Telefon langsam ein, wir schätzen Arbeitsflächen, auf denen wir digital miteinander kommunizieren. Wir arbeiten mit Microsoft Teams und haben schon vor Jahren mit der Vorläuferversion gearbeitet. In Teams nutzen wir beispielsweise einen firmeneigenen Blog, berichten dort, welche Challenges die Einzelnen geschafft haben. Wir feiern auch gemeinsam Erfolge – nun eben virtuell. Vom Transportmedium E-Mail sind wir seit fast zwei Jahren weg. Wer nach wie vor E-Mails nutzt, sollte verbindliche Antwortzeiten auf E-Mails festlegen.
Wichtig ist, dass man für Mitarbeiter, die den Umgang mit der neuen Technik nicht gewohnt sind, Verständnis zeigt, sie ausreichend begleitet und ihnen die Ängste nimmt. Das Motto muss lauten: Jeder wird mitgenommen, keiner wird abgehängt.
Kann das eine einzelne Führungskraft überhaupt alles leisten?
Paul Liese: Kommunikation nimmt in virtuellen Teams einen erheblichen Teil der Arbeitszeit in Anspruch, den man als Manager oft nicht aufbringen kann. Dabei muss die Führungskraft gar nicht alles allein leisten, das Team kann sich auch gegenseitig unterstützen. Indem beispielsweise Tandems gebildet werden, ein technikerfahrener Kollege einem anderen als Mentor zur Seite steht, man Tutorials anbietet. Was man aber auf keinen Fall vernachlässigen sollte, sind regelmäßige 1:1 Termine mit jedem Mitarbeiter. Sie sind nicht nur im Homeoffice wichtig, sondern auch in virtuellen Teams. Auch das gelingt per Videochat. Als Führungskraft kann man das Gelingen der virtuellen Arbeit nicht erzwingen, man kann aber mit gutem Beispiel vorangehen.
6 Tipps für „Remote Leadership“ von Paul Liese
Tipp Nr. 1: Check-In zu Beginn des Arbeitstages
Tipp Nr. 2: Verbindliche Präsenzzeiten
- Arbeitsbeginn
- Arbeitszeit
- Pausengestaltung
Tipp Nr. 3: Schnelle Updates für das ganze Team (Daily Standup)
- woran arbeite ich gerade
- was habe ich gestern bearbeitet
- welche Hindernisse haben sich aufgetan.
Tipp Nr. 4 Tandems oder Kleine Teams bilden, Teammeetings durchführen
Tipp Nr. 5: Regelmäßige 1:1 Meetings
- Wie geht es dem Mitarbeiter mit der neuen Situation?
- Erhält er alle Informationen?
- Fühlt er sich noch als Teil des Teams?
- Und: Smalltalk ist für Mitarbeiter auch wichtig.
Tipp Nr. 6 Verbindliche Regeln festlegen
- Welche technischen Oberflächen werden für was genutzt
- Dokumentation der Ergebnisse
- Antwortzeiten für E-Mails
Über Paul Liese
Paul Liese ist Geschäftsführender Gesellschafter der HSP Software GmbH, einer von Deutschlands führenden Bilanz Software Entwicklern.
Paul Liese auf XING und LinkedIn.
*Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit meint die gewählte Formulierung bei allen personenbezogenen Bezeichnungen in dieser Publikation beide Geschlechter. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.
Viele brauchbare Tipps, manches ist aber übertrieben. Gerade im Home Office gilt es, den Mitarbeitern Vertrauen entgegen zu bringen. Auch sind die persönlichen Umstände zu berücksichtigen. Kleine und auch schulpflichtige Kinder kann man nicht von 9 to 5 wegschließen. Flexibilität wo immer möglich, ist für uns das oberster Gebot.