Andreas Schröder ist geschäftsführender Gesellschafter der HSP GRUPPE aus Hannover. Die HSP GRUPPE ist eine bundesweite Kooperation von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten, die unter der Dachmarke HSP STEUER Lösungen zur Qualitätssicherung, zum Marketing sowie zur IT ohne gesellschaftsrechtliche Verflechtung erarbeitet und untereinander teilt.
Herr Schröder, wenn Sie aus Sicht der Steuerberater auf den derzeitigen Arbeitsmarkt schauen – was finden Sie vor?
Dazu müssen Sie nur einmal auf eine gut besuchte Karrieremesse gehen. An den Ständen der Kammern und Verbände aus den Steuerberatungsberufen ist, vorsichtig ausgedrückt, kein großer Andrang. Dem Berufsbild der Steuerfachangestellten, aber auch des Steuerberaters selber mangelt es deutlich an Attraktivität. Hinzu kommt, dass von den jährlich rund 6.000 neu startenden Azubis zum Steuerfachangestellten viele unterwegs verloren gehen. Einige gehen weiter ins Studium, einige in die freie Wirtschaft, einige brechen ab. So bleiben am Ende geschätzt nur 2.500 bis 3.000 der Branche erhalten. Das ist für 54.000 Kanzleien sehr wenig. Bei den Steuerberatern ist der überall prognostizierte Fachkräftemangel schon seit langem Tatsache.
Inwiefern belastet das Kanzleien heute schon? Wo drückt der Schuh?
Die durchschnittliche Steuerberatungskanzlei hat sieben bis acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Chef arbeitet selbst meistens mit. Neben der Mandantenbetreuung müssen noch Personalführung, Marketing, Strategie und diverse andere Aufgaben bewältigt werden. Das Team anzuleiten, vernünftig zu delegieren, motivieren, regelmäßig Feedback geben, auch im Rahmen von Jahresgesprächen – dies kommt häufig zu kurz und wird in Konsequenz von den Mitarbeitern als nicht wertschätzend empfunden. Aber qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der größte Erfolgsfaktor oder der entscheidende Engpass für eine positive Kanzleientwicklung. Für eine Weile mag also der bisherige Weg funktionieren, angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt wird es den Kanzleien künftig Probleme bereiten, wenn sie sich nicht intensiv mit ihren Mitarbeitern auseinandersetzen.
Warum müssen sich Kanzleien, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen mit Personalmanagement und Personalmarketing befassen?
Veränderung ist mittlerweile Normalzustand. Die Digitalisierung hat den Mittelstand und eben auch Steuerberatungskanzleien erreicht. Konkret bedeutet das für Unternehmen: mehr Technikeinsatz und schnelle Veränderungen bei Geschäftsmodellen und Organisationsstrukturen. Dabei müssen Vorgesetzte auch ihre Mitarbeiter mitnehmen – ohne sie gelingt der digitale Wandel nicht. Die Anforderungsprofile an Mitarbeiter ändern sich gravierend und diese müssen darauf vorbereitet werden. Es müssen künftig auch zunehmend neue Mitarbeiter mit neuen Anforderungsprofilen eingestellt werden. Das gelingt nur, wenn man aktives Talent Management betreibt. Es gilt, Schlüsselpositionen und Know-how Träger zu identifizieren, zu begeistern, zu entwickeln und zu befähigen.
Wo fängt aus Ihrer Sicht das Personalmarketing an?
Einfach Anzeigen aufgeben und auf Bewerber warten ist zu wenig, Personalmarketing beginnt schon vor Schaltung der ersten Stellenanzeige. Ich ermuntere die unserer Gruppe zugehörigen Kanzleiinhaber gerne, einmal aus Bewerbersicht zu schauen: Wer sich auf einen neuen Job bewirbt, hat sicher schon die eine oder andere Frustration erlebt: Im Vorfeld lässt sich wenig Handfestes über das Unternehmen herausfinden, der potenzielle neue Arbeitgeber meldet sich ewig nicht zurück oder die mobil entdeckte Stellenanzeige erlaubt keine anschließende mobile Bewerbung. Die Summe der Erfahrungen, die Kandidaten während des Bewerbungsprozesses machen, die sogenannte Candidate Experience, entscheidet heute vielfach über den Erfolg eines Arbeitgebers im Recruiting. Deshalb macht es Sinn, sich in die Erlebniswelt der Bewerber hineinzuversetzen und diese so positiv wie möglich zu gestalten – nur so gelingt es, begehrte Fachkräfte als Mitarbeiter zu gewinnen.
Und wenn ich den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dann an Bord habe?
Dann entscheidet mein Personal- oder auch Talent Management darüber, ob ich die Mitarbeiter ans Unternehmen binden und weiterentwickeln kann. Eines sollten sich Unternehmer immer wieder ins Gedächtnis rufen: Nichts ist teurer als Fluktuation. Wenn kaum Mitarbeiter zu finden sind, müssen die Leistungsträger an das Unternehmen gebunden werden. Mit aktivem Talent Management kann man bestehende Talentquellen besser ausschöpfen, Neueintritte mit Potenzial identifizieren und nachhaltig zu interessieren, für Positionen eine effektive Nachfolgeplanung sicherstellen und mit gezielten Maßnahmen seine Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen.
Herr Schröder, vielen Dank für das Interview!
Welche Maßnahmen effektiv sind und worauf Unternehmer dabei achten sollten, stellt Andreas Schröder kommende Woche in einem Gastbeitrag vor.