Interview mit Henrik von Haslingen – Teil 2
Die Blockchain-Technologie sorgt für Gesprächsstoff über Industriegrenzen hinweg. Im zweiten Teil des Interviews mit Henrik von Haslingen geht es um das Potenzial von Blockchain und auch die Herausforderungen, die Technologie mit sich bringt.
Wie genau unterscheiden sich zentrale und dezentrale Journalführung?
Als Distributed Ledger (DL) oder Verteiltes Kontenbuch wird im Allgemeinen eine verteilte Datenbank bezeichnet, die durch unterschiedlichen Lösungsansätzen dafür verwenden identische Einträge in den unterschiedlichen und verteilten Datenbanken sicherzustellt. Das ist der Hauptunterschied der DLT zu gewöhnlichen Datenbanken, bei denen Daten auf zentralen Servern gespeichert werden, die von einer administrativen Autorität, z.B. eine Bank oder Facebook, verwaltet werden. DLT stellt das technologische Rahmengerüst für die Speicherung von Einträgen – ohne dass jemanden einzelnen diese Speicherung beeinflussen kann. Eine falsche Transaktion bei der Bank kann rückgängig gemacht werden, die Eintragung wird durch eine Gegentransaktion korrigiert. Bei einer falschen Transaktion mit z.B. Bitcoin gibt es keine Hilfe, noch kann die Transaktion Rückgängig gemacht werden, denn es gibt keinen, der für das System „zuständig“ ist.
Nun gibt es ja auch private und öffentliche Blockchain oder DLT. Können Sie uns den Unterschied erklären?
In der Tat, es gibt Hybridlösungen, die die Vorteile zentrale Steuerung und dezentrale Speicherung nutzen, sogenannte private Blockchain oder private DLT. Sowohl die private als auch die öffentliche DLT nutzen die Vorteile der distribuierten Datenbanken, indem jeder Eintragungen auslösen kann. Der Unterschied liegt darin, wie die Einigkeit über die Ordnung und Gültigkeit der Eintragungen entstehen. Die öffentlichen müssen auf aufwendige Mechanismen oder Verfahren, wie z.B. das sogenannte „Proof of Work“, vertrauen – ein Verfahren, das zu vergleichen ist mit dem Finden der Nadel im Heuhaufen. Nur wer die Nadel gefunden hat, kann den nächsten Block oder Gruppe gültige Eintragungen vorschlagen und alle anderen Teilnehmer in dem System haben diese mit in ihren Datenbanken zu verzeichnen. Beide den privaten DLTs herrscht Einigkeit über ein gegenseitiges Vertrauen und ein aufwändiger Einigungsmechanismus ist somit nicht erforderlich.
Sie sagten eingangs, dass Blockchain mit Bitcoin erfunden wurde, wie hat sich die Technologie seitdem entwickelt?
Die wohl entscheidendste Weiterentwicklung ist die Erweiterung der Scriptsprachen in Kombination mit der Möglichkeit, Programme anstelle der reinen Journalführung über Transaktionen zu implementieren. Dieses ermöglichte in 2013 mit Ethereum die Möglichkeit, Programme auf dem Blockchain zu schaffen, die mittels Transaktionen an Konten ausgeführt werden. Mit derartige Plattformen, und in zwischen gibt es zahlreiche, kann ganze Geschäftsprozesse abbildet werden. Wenn wir uns Geschäftsprozesse als Verträge unter Akteuren vorstellen, lassen sich diese in Programmen, sogenannten Smart Contracts, abbilden und automatisch, z.B. durch Abfragen verifizierbare Daten, abwickeln. So können beispielsweise Transaktionen durch Smart Contracts automatisch durchgeführt werden, sobald die dafür festgelegten Bedingungen erfüllt sind – im Grunde folgen Smart Contracts also einem „Wenn – Dann“-Prinzip“. Die Ausführung von Smart Contracts hängt vom Eintreffen der Variablen in die Blockchain ab, die in den Bedingungen für die Ausführung festgelegt sind. Das kann zum Beispiel das Eintreffen einer Zahlung oder das Erreichen eines Fälligkeitsdatums sein. Meist handelt es sich um eines oder mehrere externe Ereignisse. Diese verifizierbaren Daten werden von Quellen, sogenannten Oracles, wie Flugzeiten, Wetterzustände, aber auch durch z.B. Sensoren oder Ortungsinformationen, abgreifbar und können so als Auslöser oder Schalter in Smart Contracts dienen. Eine Wetterversicherung für einen Landwirt könnte so z.B. auf einem Blockchain automatisch abgewickelt werden: hat es an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt geregnet oder nicht. Ob diese Möglichkeit allerdings nun ausreichend ist, ein derartigen Geschäftsprozess beziehungsweise Geschäftsmodelle zu verändern, liegt an den Akteuren und deren Neigung Risiken einzugehen, das heißt auf Intermediäre wie derzeitige Versicherungen zu verzichten. Weitere Entwicklungen liegen in der Skalierbarkeit der Systeme, das heißt wie schnell Transaktionen abgewickelt werden können. Hier gibt es bereits Alternativen zu Blockchain, sogenannte DAG-Systeme (DAG steht für Direct Acyclic Graph), die eine wesentlich höhere Skalierbarkeit bieten. Ein Beispiel ist die in Deutschland entwickelte Plattform IOTA, mit dem im Bereich IoT und der Automobilindustrie schon experimentiert wird.
Worin bestehen die Herausforderungen der Blockchain-Technologie beziehungsweise DLT?
DLT wurde erfunden und wird nicht verschwinden. In welchem Maße diese Verwendung findet, hängt von vielen Faktoren ab. Eine Herausforderung im öffentlichen Bereich ist heute, wie oben beschrieben, dass viel Know-How von dem Anwender gefordert wird, d.h. das Transaktionsrisiko geht zu 100 Prozent auf den Transferierenden über. Hier stellt sich die Frage, ob diese Risikobereitschaft verbreitet vorhanden ist oder sich entwickeln kann, oder ob die Technologie zur Minimierung dieser Risiken entwickelt werden kann. Desweiteren wird die Technologie bei vielen Instanzen als Zukunftstechnologie gesehen, aber zugleich wird die Umsetzung, z.B. als Kryptowährung, mit viel Skepsis betrachtet und unter dem Vorwand, Marktteilnehmer zu schützen, werden Regularien oder gar Verbote eingeführt. Die Möglichkeit, Projekte über das sogenannte Initial Coin Offering (ICO) zu finanzieren, wurde vielerorts verboten. Diese regulativen Maßnahmen werden von vielen aus der Szene als hemmend eingestuft, von anderen aber als notwendig für das Vertrauen in der Technologie gesehen.
Die meist entscheidende Frage oder Herausforderung und zugleich die schwierigste ist, in wie weit lassen sich Geschäftsmodelle, die grundsätzlich auf Zentralisierung bauen, dezentral abbilden?
[…] Thema Blockchain lässt uns nicht los! In unserem Interview mit Henrik von Haslingen haben wir uns bereits intensiv mit der Blockchain-Technologie befasst. Weil sie auch für […]