Teil 1
Tobias Polka ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der ADKL AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf In seinem Gastbeitrag widmet sich der Experte der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens. Der Gesetzentwurf der Regierung sieht ein Bündel an gesetzlichen Änderungen im Steuerrecht vor. Diese werden durch eine Vielzahl technischer und organisatorischer Maßnahmen ergänzt, die im Laufe der nächsten Jahre Schritt für Schritt umzusetzen sind. Der Steuervollzug in Deutschland soll im Interesse der Steuerzahler schneller, einfacher und effizienter werden. Welche Auswirkungen das auf die Steuerpflichtigen hat, erörtert Tobias Polka in seinem zweiteiligen Gastbeitrag.
Ziele des Gesetzentwurfs
Die moderne Informationstechnologie hat die Gesellschaft und Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten spürbar verändert. Technische Entwicklungen wie das Internet und die elektronische Kommunikation sind aus dem täglichen Leben und auch aus dem Besteuerungsverfahren nicht mehr wegzudenken. Art und Weise, wie Steuern erklärt, festgesetzt und beschieden werden, haben sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt.
Bereits das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz) aus dem Jahre 2008 stand unter dem Motto „Elektronik statt Papier!“. Der Gesetzgeber verfolgte bereits damals insbesondere das Ziel papierbasierte Verfahrensabläufe durch elektronische Kommunikation zu ersetzen und dadurch langfristig Bürokratiekosten abzubauen. Ausfluss der gesetzlichen Regelungen dieses Gesetzgebungsverfahrens sind insbesondere die Verpflichtungen zur elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen sowie die elektronische Übermittlungspflicht der E-Bilanz.
Im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens soll der begonnene Modernisierungsprozess nunmehr fortgeführt werden. Hierzu wurde seit dem Jahr 2014 ein Konzept erarbeitet, auf dessen Basis zunächst am 26.08.2015 ein Referentenentwurf und anschließend der aktuell vorliegende Regierungsentwurf vom 9.12.2015 veröffentlicht wurde. Der vorliegende Gesetzentwurf soll die rechtlichen, technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, wobei die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die rechtsstaatlichen Erfordernisse des Steuervollzugs unter den gegebenen Bedingungen nicht eingeschränkt werden sollen.
Die vorgesehenen Maßnahmen betreffen insbesondere drei Handlungsfelder:
- die Steigerung von Wirtschaftlichkeit und Effizienz durch einen verstärkten Einsatz der Informationstechnologie und einen zielgenaueren Ressourceneinsatz in der Finanzverwaltung;
- die Vereinfachte und erleichterte Handhabbarkeit des Besteuerungsverfahrens durch mehr Serviceorientierung und nutzerfreundlichere Prozesse
- die Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen, insbesondere der Abgabenordnung, im Hinblick auf die sich jetzt und in Zukunft stellenden Herausforderungen.
Automationsgestützten Bearbeitung
Die zentrale Maßnahme des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ist die Verstärkung der ausschließlich automationsgestützten Bearbeitung von dazu geeigneten Steuererklärungen und den beizufügenden Unterlagen (z.B. E-Bilanz). Dies soll insbesondere durch den Einsatz von IT-gestützten Verfahren unter Berücksichtigung von Risikomanagementsystemen ermöglicht werden. Damit soll eine Konzentration der personellen Ressourcen für manuelle Prüfungen auf die wirklich prüfungsbedürftigen Fälle erreicht werden. Zur Umsetzung dieser Zielsetzung trifft das Gesetz in § 88 Absatz 5 und 6 sowie in § 122a AO Regelungen zum Einsatz von sogenannten Risikomanagementsystemen und zur Möglichkeit der Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Datenabruf. Die Prüfung erfolgt anhand von Risikoparametern, die das Erfahrungswissen der Steuerverwaltungen fallgruppenspezifisch bündeln. Durch das Gesetz selbst sollen die an das RMS-System elementar zu stellenden Anforderungen festgelegt werden. So soll bestimmt werden, welche inhaltlichen Komponenten erfüllt sein müssen und in welcher Weise eine ausschließlich automationsgestützte Bearbeitung mit der personellen Prüfung verzahnt sein soll. Das Gesetz verlangt deshalb
- eine ausreichende Zufallsauswahl,
- eine Aussteuerung zur personellen Prüfung der entsprechenden Sachverhalte, wenn bestimmte Risikofilter anschlagen,
- die Möglichkeit einer jederzeitigen personellen Prüfung des Falls durch den zuständigen Bearbeiter, sowie
- die regelmäßige Überarbeitung der Inhalte des Risikomanagementsystems.
Beachtlich in diesem Zusammenhang ist, dass das Gesetz ausdrücklich eine Aussteuerung zur personellen Bearbeitung vorsieht, wenn im Einzelfall „Anlass“ dazu besteht. Ein derartiger Anlass soll insbesondere dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige in einem so genannten „qualifizierten Freitextfeld“ der Steuererklärung weitergehende Angaben macht, Zweifelsfragen oder Prüfbitten äußert oder zur Vermeidung des Vorwurfs einer Steuerverkürzung darauf hingewiesen wird, dass in der Steuererklärung bewusst eine Rechtsauffassung vertreten wird, welche von der bekannten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung abweicht.
Welche Effekte dies in der Praxis haben wird, erläutert Tobias Polka in dem zweiten Teil seines Gastbeitrags.
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