• 9. November 2021

„Die Rolle und das Selbstverständnis der Finanzorganisation als Treiber von Innovation im Unternehmen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“ – ein Interview mit Michael Diederichs, Country Controller der Deutsche Shell Holding, zu den Anforderungen an die Controlling-Organisation der Zukunft (2/2)

„Die Rolle und das Selbstverständnis der Finanzorganisation als Treiber von Innovation im Unternehmen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“ – ein Interview mit Michael Diederichs, Country Controller der Deutsche Shell Holding, zu den Anforderungen an die Controlling-Organisation der Zukunft (2/2)

„Die Rolle und das Selbstverständnis der Finanzorganisation als Treiber von Innovation im Unternehmen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“ – ein Interview mit Michael Diederichs, Country Controller der Deutsche Shell Holding, zu den Anforderungen an die Controlling-Organisation der Zukunft (2/2) 1024 683 C4B

Wie verändert die digitale Transformation die Rolle der Finanzverantwortlichen? Michael Diederichs, Country Controller der Deutsche Shell Holding, im zweiten Teil des Interviews zu den Anforderungen an die Controlling-Organisation der Zukunft. Den ersten Teil des Interviews können Sie hier lesen:

 

Herr Diederichs, neben der Bewältigung des Spagats zwischen Standardisierung und individuellen Prozessen haben Sie als Leiter Controlling ja zudem auch noch Ihre unterschiedlichen Rollen auszufüllen. Zum einen müssen Sie dafür sorgen, dass beispielsweise die Compliance-Vorgaben eingehalten werden, gleichzeitig sind Sie als Business Partner gefragt. Wie gelingt dieser Spagat?

Michael Diederichs: Die Rolle des Business Partners ist ganz wichtig, denn ich möchte ganz eng mit dem Business zusammenarbeiten und mit dafür sorgen, dass wir gute Ergebnisse erzielen. Gleichzeitig bin ich als Leiter Controlling aber auch Hüter für Compliance. Und ich muss für die Einhaltung der Regeln sorgen – auch wenn dies unangenehme Diskussionen mit dem Business bedeutet. Das Business erwartet andererseits aber auch, dass wir diese Rolle wahrnehmen und dem Business helfen. Sich seine Unabhängigkeit zu bewahren ist deshalb ganz wichtig. Man kann als Finance-Verantwortlicher dicht am Business dran sein, muss sich aber seine Unabhängigkeit bewahren und auf der Einhaltung der Regeln bestehen.

Sie sehen bei diesen Rollen also kein „entweder-oder“, sondern ein „sowohl-als auch“?

Michael Diederichs: Ja ganz genau, beide Rollen sind relevant und anwendbar je nach Situation und Bedarf. Und es kommen noch weitere hinzu. Die des Functional Brokers, der quasi als Vermittler zwischen den globalen Prozessverantwortlichen und den lokalen Business-Partnern fungiert. Der Finanzverantwortliche kann sich in beide Positionen reindenken und eine sinnvolle Brücke bauen – und an einem Ergebnis mitarbeiten, welches das Beste für das Unternehmen ist. Es gibt auch noch die Rolle des Professional Partners, der die Initiative ergreift und sein Fachwissen nutzt, um Richtungsentscheidungen vorzugeben.

 

In den vergangenen Jahren wurde ja häufig diskutiert, wohin sich die Rolle des Finanzverantwortlichen, des Controllers in Zukunft bewegt, gerade auch angesichts der Digitalisierung und Automatisierung. Sie sehen also nicht den Schwerpunkt in einer Rolle, sondern gleichermaßen in allen vier Rollen?

Michael Diederichs: In jedem Unternehmen wird es zu unterschiedlichen Perioden unterschiedliche Schwerpunkte geben, auch abhängig von der jeweiligen Branche. Und abhängig von der Situation, in der sich das Unternehmen gerade befindet – beispielsweise ob das es wächst oder schrumpft oder wie sich sein Markt verändert. Diesen Herausforderungen müssen sich Controller jeweils anpassen in ihren Rollen und sie werden in diesen unterschiedlich stark gefordert sein. Die Annahme, dass sich durch die Digitalisierung und Automatisierung nun grundlegend die Rollen ändern werden, teile ich nicht. Durch Digitalisierung und Automatisierung werden, wie auch zuvor beschrieben, viele standardisierte Geschäftsvorfälle abgedeckt. Die eigentlichen Herausforderungen liegen für Finanzverantwortliche jedoch bei komplexen Entscheidungen oder Entscheidungen, bei denen Datenunsicherheit oder Informationsunsicherheit besteht. Gerade Entscheidungen in den spannenden Feldern – Portfolioentscheidungen oder Entscheidungen über die zukünftige Strategie – werden ja nicht über die Automatisierung abgedeckt. Aber selbst bei den standardisierten Prozessen benötige ich immer einen Finanzverantwortlichen, der die Verantwortung trägt und entscheidet, ob es regelkonform ist.

Können Sie uns dazu ein aktuelles Beispiel nennen?

Michael Diederichs: Das Bundesfinanzministerium hat vor einiger Zeit die neuen GoBD veröffentlicht. Ich benötige also einen Verantwortlichen, der überprüft, ob die automatisierten Prozesse GoBD-compliant sind, beispielsweise die eingesetzte Scanning-Software die Anforderungen der GoBD erfüllt. Für dieses Projekt habe ich aktuell intern und extern Experten dazu geholt und wir haben unsere Prozesse bei Shell in Deutschland daraufhin überprüfen lassen. Da spiele ich dann alle Rollen: Als Enabler of Compliance and Control, als Functional Broker, ich bringe aber auch meine Expertise mit ein und agiere als Business Partner und unterstütze das Business. Das Prinzip der vier Rollen ändert sich nicht, ich muss es nur anwenden auf die neue Situation.

 

Wie hat die digitale Transformation die Rolle der Finanzverantwortlichen verändert? Wo sehen Sie künftig die Hauptaufgabe?

Michael Diederichs: Die Rolle und das Selbstverständnis der Finanzorganisation als Treiber von Innovation im Unternehmen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Als Finanzverantwortlicher kann man sich heute nicht mehr nur hinter das Business stellen und ein Zahlenlieferant sein. Das einfache Abbilden von Transaktionen und das Liefern von Zahlen wird künftig noch stärker automatisiert ablaufen. Dank der Digitalisierung sind Management-Informationen schneller und besser darstellbar. Die Anforderungen werden meiner Ansicht nach künftig noch anspruchsvoller. Finance-Experten müssen immer noch das Zahlenverständnis haben, viel entscheidender wird aber das Interpretieren der Zahlen sein: Sie liefern dem Business die benötigten Entscheidungshilfen, sie schauen nicht nur zurück, sondern müssen zukünftige Entwicklungen im Marktumfeld und in der Gesetzgebung antizipieren. Man kann dies bei dem Thema „Energiewende“, die für Shell eine große und interessante Herausforderung ist, sehr gut beobachten. Wir als Finanzverantwortliche sind hier gefragt, den Wandel der Firma zu einem Netto-Null-Emissions Energieunternehmen aktiv mit voranzutreiben. Das bedeutet ebenfalls, nach innen herausfordernder aufzutreten und bei Businessentscheidungen viel aktiver dabei zu sein. Das erfordert auch eine Persönlichkeit, die selbstbewusst auftritt, nicht nur vergangenheitsorientiert ist, sondern sich auch traut, eine Richtung für die Zukunft vorzugeben.

 

Fotos: Michael Diederichs, Unsplash, Pexels


Über Michael Diederichs

Michael Diederichs ist seit 2017 als Country Controller bei der Deutsche Shell Holding GmbH in Hamburg tätig. In dieser Rolle verantwortet er die Zahlenwerke für die einzelnen Shell Gesellschaften in Deutschland, weiterhin ist er Geschäftsführer der Shell Global Solutions Deutschland und der CRI Deutschland GmbH. Im Laufe seiner 28 Jahre bei Shell hat er in verschiedenen Rollen in Deutschland, Singapur und den Niederlanden u.a. als Commercial Fuels Mgr Europe, Manufacturing Finance Mgr und Commercial Road Transport Finance Mgr gearbeitet. Vor seinem Start bei Shell hat Michael Diederichs eine Bankausbildung bei der Commerzbank absolviert sowie ein Studium der Betriebswirtschaft in Saarbrücken und Frankfurt/Main.

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