• 5. Mai 2020

Digitalisierung versus Automatisierung – Ein Gastbeitrag von Denis Glowicki (1/2)

Digitalisierung versus Automatisierung – Ein Gastbeitrag von Denis Glowicki (1/2)

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Ist die Automatisierung eines Prozesses schon Digitalisierung? Was wir heute mit Digitalisierung doch eigentlich meinen sind Datennutzung und Automatisierung, sagt Denis Glowicki. Der Finance-Manager befasst sich in seinem Gastbeitrag unter anderem damit, wie Unternehmen sich von ihren analogen Gewohnheiten verabschieden können.

Warum tun wir eigentlich in letzter Zeit ständig so, als wäre Digitalisierung etwas Neues? Fast 70 Jahre sind seit der Erfindung des ersten funktionsfähigen Computers vergangen, der Erfinder schon lange verstorben und wir benutzen hunderte von Mikrochips jeden Tag. Bei vielen von Ihnen überwachen diese kleinen Helferlein sogar schon den Schlaf, ganz Verrückte tragen Chips bereits unter der Haut. Ich finde, wir sind schon ziemlich digital. Es lässt sich natürlich noch viel weiter ausbauen, aber was wir heute mit Digitalisierung doch eigentlich meinen sind Datennutzung und Automatisierung, oder? Habe nur ich das Gefühl das medial immer alles in einen Topf geworfen wird? Diese beiden Stichworte sind der große Hype, Digitalisierung war und ist nur die Vorstufe und Grundlage dessen was wir eigentlich tun wollen und müssen. Nur Informationen, die in digitaler statt analoger Form vorliegen, können durch andere Computer analysiert, wieder- und weiterverwertet werden. Das ist es doch, worum sich die aktuellen Diskussionen eigentlich drehen und das ist Automatisierung.

Digitalisierung macht die Informationen nur schneller und leichter verfügbar. Für den Geschäftsalltag ist das ganz sicher schon eine deutliche Erleichterung. Dieser Prozess läuft bereits seit fast 30 Jahren, ist mit Sicherheit noch lange nicht abgeschlossen, wie wir im Folgenden noch sehen werden, und hat schon einige Berufsbilder verändert. Vergleichen Sie doch mal die Anzahl der Sekretariate und die Aufgaben der Büroassistenz damals und heute. Aber der große Hub im Fortschritt, von dem so ziemlich alle Berufstätige betroffen sein werden, da gebe ich allen anderen Recht, stellt sich erst mittels Schnittstellen und Datenanalyse. In der Realität arbeiten die Unternehmen aber noch in einer Welt voller Medienbrüche.

Wissen Sie auch nicht, wie Sie in Ihrem Unternehmen diesen nächsten Schritt angehen sollen? Sie träumen von Smart-Factories und fragen wie Sie Ihr Unternehmen schnell dahin bekommen sollen? Vergessen Sie’s, gehen Sie drei Schritte zurück und fangen Sie viel weiter vorne an. Wir müssen alle erstmal unsere Hausaufgaben machen, sonst ist das in etwa so, als hätte Herr Gutenberg gerade den Buchdruck erfunden und wir starten eine Diskussion über E-Book-Reader. Deswegen handelt der zweite Teil dieses Beitrags auch nicht von schlauen Fabriken sondern von den Humanus data vecturas.

Der „Humanus data vecturas“

Die Lateinlehrer unter Ihnen mögen bitte entschuldigen. Übersetzen wir es daher mal als humanoide Datentransporteure, dieser Begriff ist eine Eigenkreation. Was ist damit gemeint? Nun ja, die Wirklichkeit wie wir in unserem beruflichen Alltag mit digitalen Daten umgehen und immer wieder in analoge Strukturen zurückfallen ist schon erstaunlich. Dieser Artikel handelt von fehlenden Maschine-Maschine Interaktion statt derer Mitarbeiter als Analog-Digital-Wandler fungieren. Das ist weder abwertend noch überheblich gemeint. Dabei möchte ich mich auch nicht ausnehmen. Ich gehöre auch noch bei vielen Tätigkeiten zu dieser Spezies. Dieser Teil des Beitrags soll nur das Problem beschreiben und damit dem ein oder anderen die Augen öffnen. Sie können mir auch gern widersprechen, vielleicht sind Sie über diese Evolutionsstufe in Ihrem Unternehmen schon hinaus. Aber nun genug der Verwirrung, die ich bei Ihnen wahrscheinlich gerade gestiftet habe. Schauen wir uns ein Beispiel aus dem Unternehmensalltag der meisten KMU’s an.

Einkäufer Kurt Billig soll beim Lieferanten Peter Weiss 100 Kartons Druckerpapier bestellen.  Lassen Sie uns mal gemeinsam den möglichen Weg und die Interaktionen verfolgen bis die Rechnung für diese Lieferung bezahlt werden kann.

Herr Billig erstellt also eine neue Bestellung im ERP-System. Lieferantenstammdaten, Artikelnummer, Preis ist alles in der Datenbank hinterlegt. Ruckzuck ist die Bestellung fertig. Aber nein, was tut er nun? Er druckt die Bestellung aus! Oh mein Gott, er hat die schönen digitalen Daten wieder analogisiert. Nein, nein, nein, das passiert bei Ihnen natürlich nicht mehr. Sie schicken Ihrem Lieferanten Peter Weiss sicher eine automatisierte E-Mail mit der Bestellung im Anhang als pdf-Datei. Aber was macht der Herr Weiss jetzt damit? Er öffnet die E-Mail nebst pdf-Anhang, kann diese Informationen aber nicht in sein ERP übernehmen, sucht deshalb in seiner Software die richtigen Kundenstammdaten heraus, tippt Artikelnummer und Menge in einen neuen Kundenauftrag ein, prüft nochmal ob die Lieferanschrift auf der Bestellung mit den Informationen im Kundenstammsatz übereinstimmt und drückt dann endlich die <Speichern>-Taste und ist so stolz wie er mit der Technik umgehen kann.

Na, haben Sie ihn erkannt? Das ist der „Humanus data vecturas“ in seiner reinsten Form. Er nimmt digitale Daten in sich auf um mit seinen analogen Künsten des Zwei-bis-vier-Fingertippens auf einem 104-Tasten-Cherry-Instrument alles in die nächste hochmoderne SQL-Datenbank zu transportieren, braucht dafür etwa 5hoch12 mal so lange und macht dabei unendlich mal mehr Fehler als würden diese beiden Datenbanksystem unter Ausschluss von Herrn Weiss und seinem tollen Instrument direkt miteinander kommunizieren.

Ich denke, Sie haben das Problem spätestens jetzt verstanden und um die Geschichte nicht unnötig in, die Länge zu ziehen, so geht es mit den Analog-Digital-Wandlern in der Auftragsabwicklung immer weiter.

Herr Weiss druckt einen Lieferschein. Diesen bekommt der Spediteur.     digital > analog

Bei der Zustellung wird der Wareneingang vom Lieferschein abgetippt.    analog > digital

Herr Weiss druckt außerdem aus seinem ERP eine Rechnung.     digital > analog

Herr Billig prüft Preis und Menge auf der Rechnung mit der Bestellung und dem Wareneingang in seinem ERP.         analog > digital

Möchten Sie jetzt wissen wie oft noch Daten wieder analog-digital-analog-digital von unserer Spezies gewandelt werden, wenn Herr Weiss sich versehentlich vertippt hat und statt weißem Druckerpapier die graue Recyclingausführung verschickt hat? Nein, ich denke, wir ersparen uns das. Im nächsten Teil wollen wir uns darum lieber mit Ursachen und Lösungsansätzen beschäftigen.

1 Kommentar
  • Rolf Capelle 5. Mai 2020 um 22:48

    Ich habe die Evolution in Automatisierung / Digitalisierung in der Finanzbuchhaltung über 40 Jahre lange begleiten können. Die meiste Zeit davon in Unternehmen, die Ihre IT Aktivitäten sehr an den aktuellen Trends ausgerichtet hatten. Ich war bei vielen Neuerungen also vorne mit dabei. Es gab kleinere und größere Schritte. Aber „der Eine“ große Wurf war nicht dabei. Und ich vermute, das es auch bei der weiteren Entwicklung schrittweise geht und wir nicht auf den großen „Big Bang“ warten sollten und unsere Erwartungshaltung entsprechend darauf einstellen.

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